Uff! Das war eine lange Pause! Die dritte Staffel aus dem Leben unser aller Lieblings-Serien-Stand-up-Comedienne, Miriam »Midge« Maisel, lief im Dezember 2019. Dann kam Covid, und die Welt trat versammelt auf die Bremse. So denn auch die Filmproduktion der vierten Staffel des Serienhits über eine junge jüdische Hausfrau in New York Ende der 50er-Jahre, die voller Leidenschaft und immer perfekt gestylt dazu antritt, die Stand-up-Comedy zu revolutionieren. Dreharbeiten waren erst unmöglich, dann kompliziert, Zeit verging, und die Welt war nicht mehr die alte.
Ist sie immer noch nicht. Da geht es der eigensinnigen Midge, entschuldigen Sie den vielleicht etwas brutalen, aber durchaus passenden Vergleich, ein bisschen wie James Bond nach 9/11. Der letzte 007 mit Pierce Brosnan, Stirb an einem anderen Tag, der übrigens ziemlich genau vor 20 Jahren in die Kinos kam, sah super aus wie immer, hatte uns aber nichts mehr zu sagen.
Komplett durchgerüttelt steht für die Maisels und Weissmanns alles auf Neuanfang.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und deren Verarbeitung in Serien wie 24 war der stets witzelnde, sexistische, unkaputtbare Lebemann das Letzte, was das Kino brauchte. In der Folge wurde Brosnan gefeuert und Daniel Craig geholt, der plötzlich ganz andere Probleme hatte als gerührt oder geschüttelt.
LEICHTIGKEIT Will sagen, auch bei Midge stottert zu Beginn der vierten Staffel der Motor der Ausnahmesituation-kompatiblen Unterhaltung ein wenig. Die hübschen Bilder aus den Straßen New Yorks und den Nachtklubs sind vertraut, die bösen Witze gehen immer noch runter wie Öl, Midges Outfits sind weiterhin atemberaubend, aber auf der anderen Seite des Bildschirms hat sich die Welt verändert.
Plötzlich lautet die Frage: Wie begeistere ich Menschen, die seit zwei Jahren mit der Unberechenbarkeit leben müssen, mit einer Serie, die vor allem bonbonfarbene Leichtigkeit versprüht? Wie bringe ich Mütter, die sich zwischen Job und Homeschooling zerrieben haben, dazu, Mrs. Maisels cleveren Maschinengewehr-Dialogen zu folgen und auch die dritte Anspielung um die vierte Ecke zu goutieren? Spektakuläre, technicolore Massenszenen, für die die Serie bekannt ist, gibt es nicht mehr, dafür mehr Spezialeffekte, Set-Quarantäne und Corona-Schnelltests zum Frühstück.
Aber ich kann Sie beruhigen. Nach einem kleinen, etwas am Boden klebenden Anlauf funktioniert es doch. Man muss sich eben erst einmal zurechtfinden, die Midge von vor der Pandemie ins Jetzt holen. Und dann, bereits in der ersten Folge – Spoiler Alarm! –, fängt die Geschichte der fabelhaften Frau Maisel wieder an zu fliegen. Durchaus mit Zwischenaufsetzern, aber schließlich gekrönt von einem grandios choreografierten Großfamilienstreit im Riesenrad von Coney Island. Natürlich jeder in seiner Gondel. Da funkelt er wieder, der Eskapismus-Glitzer! Baruch Haschem, Midge muss nicht ausgewechselt werden!
KARRIERE Tatsächlich kam der Serie und ihren Erfindern Amy Sherman-Palladino und Ehemann Daniel, die uns einst die Gilmore Girls schenkten, das furiose Ende der dritten Staffel zupass. Denn als Midge uns vor gut zwei Jahren verließ, war ihre gerade Fahrt aufnehmende Karriere mit Schmackes gegen die Wand gefahren.
Auch sonst ging den Bonbons der bunte Saft aus: Eben noch war Midge (gespielt von der wunderbaren Rachel Brosnahan) mit ihrer Managerin und Fluch-Schwester Susie Myerson (wie immer stachelig-perfekt: Alex Borstein) als Vorprogramm auf großer Tour in Richtung Europa unterwegs, da wird sie aus der Show geworfen und steht erniedrigt und mit zu vielen Koffern am Flughafen.
Dazu kommt, dass Susie heimlich ihrer beider gesamte Einnahmen im Casino verspielt hat, dass Midges Eltern aus dem Upper-West-Side-Luxusapartment geflogen sind, und dass die Verlobung mit Super-Schwiegersohn Benjamin abgesagt ist. Und, ach ja, Miriam musste auch noch eine betrunkene Wiedervermählung mit Ex-Mann Joel in Las Vegas annullieren lassen.
Die Krönung ist ein Großfamilienstreit im Riesenrad – jeder in seiner Gondel.
Komplett durchgerüttelt und ordentlich lädiert steht für die Maisels und Weissmans alles auf Neuanfang und Neuerfindung. Immerhin, sie müssen damit nicht noch warten. Da selbst Journalisten bei Amazon vor der offiziellen Ausstrahlung nicht alles sehen dürfen, sondern gerade mal zwei Episoden, bleibt zu hoffen, dass alle Beteiligten das Beste aus dieser neuen Welt machen, so wie wir, wenn die Pandemie sich irgendwann einmal erledigt hat.
HERZENSBRECHER Paparazzi-Fotos haben immerhin schon gezeigt, dass unter anderem ein neuer Mann an Midges Seite auftauchen wird, und das ist niemand Geringeres als Gilmore Girls-Super-Herzensbrecher Milo Ventimiglia. Vielleicht hat er ja mehr Glück als Benjamin. Wobei Lenny Bruce und Joel …
Aber wie in allen Staffeln zuvor geht es auch diesmal vor allem darum, wie Midge es ganz nach oben schafft. Alles andere kommt schließlich nicht infrage. Deshalb darf Barbra Streisand auch »Being Good Isn’t Good Enough« singen, während Midge wieder einigermaßen gut gelaunt durch die Straßen New Yorks stolziert. Um dem nächsten Sexisten vors Schienbein zu treten und dabei verdammt gut auszusehen.
Die neue Staffel von »The Marvelous Mrs. Maisel« ist ab 18. Februar auf Amazon Prime zu sehen.