Schweiz

Mehr als ein Gemischtwarenladen

Goldschmidt: Verlag und Buchladen Foto: Peter Bollag

Ein Rödelheim-Siddur aus dem Verlag Victor Goldschmidt – für Generationen von Barmizwa-Jungen in Europa oder sogar den USA gehörte das zum eisernen Bestand der religiösen Ausrüstung. Der Name Goldschmidt ging so jahrzehntelang rund um die (jüdische) Welt. Dass man sich dabei eigentlich eine kleine vollgestellte Buchhandlung in einem unscheinbaren Mietshaus in einer ruhigen Nebenstraße von Basel vorzustellen hatte – unweit der Synagoge der Israelitischen Gemeinde (IGB) –, das wissen diejenigen, die den Laden bei einem Besuch in der Rheinstadt einmal persönlich besucht haben.

hauswart Geführt wurde der Laden (und der Verlag) von Salomon Goldschmidt, Sohn des Gründers und Namensgebers Victor Goldschmidt. Der schmächtige Herr, dem Besucher stets im blauen Übergewand, fast wie ein Hauswart, selbst die Türe öffnend, beriet Generationen von Eltern, aber auch viele nichtjüdische Kunden, die sich bei Goldschmidt mal kurz über »das Judentum« schlau machen wollten. Und dies, bis zu deren Tod, gemeinsam mit seiner aus Deutschland stammenden Mutter.

Auf diese Kundschaft setzt prinzipiell auch der neue Besitzer – der Basler Ralph Weill. Er ist seit Frühjahr Mehrheitsaktionär der früheren Einzelfirma und nennt sich selbst »Alterspräsident« – Geschäftsführer ist sein Sohn Esra, der als Angestellter schon bisher in der Buchhandlung tätig war, neben seinem Beruf als Mohel. Der Wechsel von Goldschmidt, langjähriger Präsident der kleinen orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft Basel (IRG), zum Ökonomen Ralph Weill, der bis zur Pensionierung eine Marktforschungsfirma leitete und Mitglied der Einheitsgemeinde (IGB) der Stadt ist, leitet eine neue Ära ein.

bibel für kinder erzählt Niemand bezweifelt, dass sich der religiöse Paradigmenwechsel auch auf das Sortiment auswirken wird. Dennoch hat Weill auch die traditionelle Kundschaft im Blick, wenn er sagt: »Diese Leute wussten beispielsweise, dass das Aleinu-Gebet im Rödelheimer immer auf Seite 65 zu finden ist, entsprechend brauchten sie nur wenig Beratung.« Nun sollen aber auch neue Kundenkreise angesprochen werden. »Wir haben festgestellt, dass gute jüdische Kinderbücher im deutschsprachigen Raum fehlen«, so Weill. Daher soll das populäre Werk Die Bibel für Kinder erzählt neu aufgelegt werden.

Auch sonst sind die Weills voller Tatendrang: Das Angebot im Internet soll ausgebaut, der Handel mit Ritualgegenständen nicht vernachlässigt werden. Dies geschieht auch im Bewusstsein, dass die Schweiz als Markt sehr klein und beschränkt ist: »Wir werden deshalb versuchen, auch das global Jewish village anzusprechen«, sagt Ralph Weill.

Der Standort Basel soll aber nicht außen vor bleiben. Auch wenn dem ehemaligen Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) bewusst ist, dass die Lage am Rande der Altstadt kaum Laufkundschaft generiert (weshalb auf ein attraktives Schaufenster verzichtet wird), soll nach den Sommerferien der kleine Laden, der in den vergangenen Monaten renoviert und umgebaut wurde, attraktiver gemacht werden – mit einem Tag der offenen Tür ebenso wie mit Autorenlesungen.

Ein Verkauf von Lebensmitteln oder koscherem Wein ist allerdings nicht vorgesehen. Doch immerhin: Kiddusch-Wein gibt es neuerdings bei Goldschmidt, denn dabei handelt es sich ja um einen rituellen Gegenstand.

führungen Und vielleicht geht bald auch eine der vielen Basler Stadtführungen bei Goldschmidt vorbei. Immerhin wurden hier schon Bücher angeboten, als sich Delegierte aus aller Welt in der Stadt kurz vor der israelischen Staatsgründung zum letzten Zionisten-Kongress trafen.

Eine Reverenz an den Staat wollte Goldschmidt allerdings nie machen: Im Rödelheimer Siddur sucht man das Gebet für Israel bis heute vergeblich. Aber vielleicht gibt es auch da bald eine Änderung.

www.goldschmidt-basel.ch

Geschichte

»Der ist auch a Jid«

Vor 54 Jahren lief Hans Rosenthals »Dalli Dalli« zum ersten Mal im Fernsehen. Unser Autor erinnert sich daran, wie wichtig die Sendung für die junge Bundesrepublik und deutsche Juden war

von Lorenz S. Beckhardt  23.03.2025 Aktualisiert

Fernsehen

»Mein Vater war sehr bodenständig«

Am 2. April wäre Hans Rosenthal 100 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum würdigt ihn das ZDF. Ein Gespräch mit seinem Sohn Gert über öffentliche und private Seiten des Quizmasters

von Katrin Richter  23.03.2025 Aktualisiert

Porträt

»Das war spitze!«

Hans Rosenthal hat in einem Versteck in Berlin den Holocaust überlebt. Später war er einer der wichtigsten Entertainer Westdeutschlands. Zum 100. Geburtstag zeigt ein ZDF-Spielfilm seine beiden Leben

von Christof Bock  24.03.2025 Aktualisiert

Aufgegabelt

Blintzes mit Vanillequark

Rezepte und Leckeres

von Katrin Richter  23.03.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Krasse Party – aber worum gehtʼs eigentlich?

von Margalit Edelstein  23.03.2025

Stand-Up

»Comedy ist Tragödie plus Zeit«

Der Tel Aviver Yohay Sponder war kürzlich zu Gast in Berlin und Frankfurt. Ein Gespräch über Humor, den Witz seines Vaters und viele dumme Menschen

von Katrin Richter  23.03.2025

Hochschule

»Unsere Studierenden kommen alle sehr gut unter«

Sina Rauschenbach über Qualifikation für Museumsarbeit an der Universität Potsdam und die Jobchancen der Absolventen

von Ayala Goldmann  23.03.2025

Jubiläum

Hugo Egon Balder wird 75

Der Schauspieler blickt auf eine abwechslungsreiche Karriere zurück und ist derzeit mit einem eigenen Bühnenprogramm unterwegs

von Jonas-Erik Schmidt  22.03.2025

Bonn

Humanist und Konsumkritiker: Zum 125. Geburtstag von Erich Fromm

Schon vor Jahrzehnten warnte Erich Fromm vor einer Welt, in der Menschen ausschließlich funktionieren. Er analysierte Liebe, Freiheit und Verantwortung - mit tiefgründigem Blick, der zeitlos bleibt

von Paula Konersmann  21.03.2025