80. Geburtstag

Mazal tov, Woody!

Aufklärer: Woody Allen erläutert 1972 seinen Zuschauern, was sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Foto: dpa

Es gibt drei Regeln beim Filmemachen, die für jeden Regisseur uneingeschränkt gelten: »Du sollst nicht langweilen, du sollst nicht langweilen, und du sollst nicht langweilen!« Nicht viele Regisseure haben diese Maxime von Billy Wilder beherzigt. Der 1935 in Brooklyn als Allan Stewart Konigsberg geborene Regisseur Woody Allen, der am 1. Dezember 80 Jahre alt wird, hat diese Regel beinahe immer befolgt.

Jeder Film von Allen ist ein Ereignis. Seit nun schon mehr als 40 Jahren dreht er mit geradezu beängstigender Regelmäßigkeit einen Klassiker nach dem anderen. Mindestens einen neuen Film pro Jahr bringt er heraus. Und ob Der Stadtneurotiker, Scoop oder Whatever Works – seine Werke entzünden die Fantasie des Zuschauers jedes Mal aufs Neue. Man fragt sich, welche absurd-fesselnden Charaktere und Geschichten wird er beim nächsten Mal entwickeln?

Humanität Meinen ersten Woody-Allen-Film habe ich Anfang der 70er-Jahre gesehen. Der Schläfer hieß die verrückte Geschichte, in der der Protagonist geklont wird. Der Film ist aber auch hintergründig, wie so oft bei Allen nur scheinbarer Klamauk. Er zeigt uns, wie man mit Diktatoren umgehen muss, wie man sich mit Anarchie der Gehirnwäsche durch totalitäre Systeme widersetzen kann.

Schon hier, in dem mehr als 40 Jahre alten Film, ist alles angelegt, das das Werk Allens auszeichnet. Er hat eine Form von Melancholie und Humor, die sehr pessimistisch-melancholisch ist. Durch diese Stimmung schimmert jedoch immer auch Hoffnung durch, Glaube an die Humanität.

Allen ist aber auch ein formbewusster Filmemacher. Ihn auf kauzige Charaktere und Handlungen wie im Stadtneurotiker zu beschränken, wäre ein Fehler. Als Regisseur hat er neue Erzählformen in Filmen ausprobiert, die immer überraschen. Man denke nur an den Tennisball in Match Point oder an The Purple Rose of Cairo, in dem die Helden immerzu hinein- und herausgehen aus dem eigenen Film. Seine Filme sind verankert in jüdischen Erzähltraditionen: sein Denken, sein Pessimismus, seine Ironie, seine Distanz zu den Menschen, die Distanz zu sich selbst, die Liebe zum Versponnenen, die Schnelligkeit der Dialoge.

Widerstand Mein Lieblingsfilm? Ganz klar: Zelig! Der 1983 gedrehte fiktionale Dokumentarfilm erzählt die Geschichte des ewigen Anpassers, der sich seiner politischen Umwelt chamäleonartig angleicht und sich nach der Macht duckt. Gleichzeitig ruft Allen uns – ohne zu belehren – implizit zu: Seid nicht so wie dieser furchtbare Zelig! Leistet Widerstand!

In diesem Sinne, Woody: Danke für die vielen schönen Stunden im Kino, Mazal tov, bis 120 und weit darüber hinaus!

Die Autorin ist Regisseurin und Präsidentin der Berliner Akademie der Künste.

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024