Schweden

Majestäts Beleidigung

Papa war kein Nazi: Königin Silvia Foto: imago

Im vergangenen November rief mich die schwedische Journalistin Lisa Grenfors vom Sender TV4 an und bat mich um eine Stellungnahme dazu, dass der Vater der schwedischen Königin Silvia, Walther Sommerlath (1901-1990), Mitglied der NSDAP gewesen war und dies bis zuletzt geleugnet hatte.

Ich lehnte ab. Auch der Hinweis, dass Sommerlath 1939 eine jüdische Firma in Berlin wohl arisiert hatte, änderte meine Position zunächst nicht. Dies geschah erst, als mir mitgeteilt wurde, wie die schwedische Monarchin auf diese Tatsachen reagiert hatte. Dazu befragt, meinte Majestät: »Es war doch eine Maschinerie, oder wie? Er war ja nicht politisch aktiv oder Soldat … Wenn man sich dagegenstellte, war man ja gegen die ganze Maschinerie.«

Nun stimmte ich zu, die schwedische Journalistin in Berlin zu treffen. Dabei konnte ich die Dokumente einsehen. Walther Sommerlath war am 1. Dezember 1934 in Brasilien der NSDAP-Auslandsorganisation beigetreten. Der jüdische Besitzer des von ihm 1939 »übernommenen« Betriebs musste demnach Deutschland mittellos verlassen. Das Unternehmen produzierte später Rüstungsgüter. Walther Sommerlath stand keineswegs einer Maschinerie gegenüber.

Er war als Nazi und Hersteller von Gerät für die Wehrmacht vielmehr Teil dieser Maschinerie. Die Argumentation der Tochter erinnerte mich in ihrer vermeintlichen Logik an die Auslassungen Eichmanns bei seinem Prozess in Jerusalem, er sei lediglich Befehlsempfänger gewesen. Ich nannte Königin Silvias Ausflucht erbärmlich, betonte aber zugleich: »Ich vergleiche sie um Gottes willen nicht mit Eichmann, auch nicht ihren Vater.«

ahnungslos? So wurde es im schwedischen Fernsehsender TV4 ausgestrahlt. Mehr als einen Monat später meldete der Hof sich zu Wort: »Die Königin reagiert sehr stark darauf, dass sie in einem Zug mit einem der schlimmsten Schlächter beim Holocaust genannt wird«, erklärte der Sprecher des Königshauses. Warum erst jetzt?

Der Sprecher bemühte sich wohl, den Schaden zu begrenzen, den Majestät in der Zwischenzeit angerichtet hatte. Denn Silvia hatte auf meine Anmerkung nicht direkt reagiert, sondern in einem privaten Weihnachtsgruß an den Senderchef von TV4 geklagt: »Es ist nicht leicht zu schlucken, wenn man auf eine Stufe mit Eichmann gestellt wird.«

Das aber hatte ich ausdrücklich nicht getan. Der Chef von TV4 antwortete entsprechend ungehalten. »Wir wissen nicht, ob die Königin absichtlich (über ihren Vater) Irreführendes gesagt und dabei bewusst gelogen hat. Oder ob sie selbst ahnungslos war und diese Version von ihrem Vater vorgespiegelt bekommen hat.«

Loyalität Sich über den Kopf einer Redaktion hinweg beim Chef privat zu beschweren, ist wenig vornehm. Statt gekränkt zu sein, hätte sich Silvia Gedanken machen können. Loyalität gegenüber dem Vater ist respektabel. Doch Silvia ist nicht nur Tochter. Sie nimmt als Königin eine politische und gesellschaftliche Repräsentationsfunktion wahr.

Sie sollte ihren Kopf nicht nur zum Tragen einer Krone nutzen, sondern hat ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden und die Tatsachen zu würdigen. Als Daniel Jonah Goldhagen 1996 die Deutschen pauschal als Hitlers willige Vollstreckerabtat, wandte ich mich dagegen. Silvias Vater Walther Sommerlath aber war einer von Hitlers willigen Vollstreckern. Nur indem diese mit ihrer emsigen Unterstützung für ein Funktionieren der Kriegsmaschinerie sorgten, waren die Verbrechen der Nazis möglich, darunter der Völkermord an den Juden.

Sehen!

»Traumnovelle«

Der Film arbeitet sich an den sieben anekdotischen Kapiteln der literarischen Vorlage von Arthur Schnitzler entlang

von Britta Schmeis  17.01.2025

Doku

Über eine weitreichende Unwahrheit

»W. – was von der Lüge bleibt« (2020) nähert sich der Lebensgeschichte von Bruno Dösekker alias Wilkomirski, der die Identität eines Schoa-Überlebenden annahm

von Silvia Bahl  17.01.2025 Aktualisiert

Kino

»Wie eine Art Heimkehr«

Schauspielerin Jennifer Grey über den Film »A Real Pain« und Dreharbeiten in Polen

von Patrick Heidmann  16.01.2025

Nachruf

Der Soziologe und das »Gedächtnistheater«

Eine persönliche Erinnerung an Y. Michal Bodemann, der sich unter anderem mit Erinnerungspolitik in Deutschland beschäftigte

von Janine Cunea  16.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. bis zum 27. Januar

 16.01.2025

Freiburg

Kurde aus Syrien eröffnet israelisches Restaurant

Der Besitzer wird schon länger bedroht. Er lässt sich jedoch nicht abschrecken

von Christian Böhmer  16.01.2025

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  15.01.2025

Frankreich

Iris Knobloch bleibt Präsidentin des Filmfestivals Cannes

Sie ist die erste Frau an der Spitze des Festivals

 15.01.2025

London

Autor Neil Gaiman weist Vorwürfe sexueller Übergriffe zurück

Im »New York Magazine« werfen mehrere Frauen dem britischen Fantasy- und Science-Fiction-Autor entsprechende Taten vor. Nun äußert sich der 64-Jährige

 15.01.2025