Psychologie

Liebe tut weh

»Liebe hat also den gleichen Effekt wie Paracetamol.« Foto: Frank Albinus

Zurückweisung tut weh, die Trennung von einem geliebten Menschen führt zu Herzschmerz. Das weiß jeder, der so etwas schon mal erlebt hat. Und dabei könnte es sich tatsächlich um mehr als bloße Metaphern handeln – darauf weisen zumindest die Ergebnisse von Studien hin, die verschiedene amerikanische Forscher in jüngster Zeit durchgeführt haben.

Der Sozialpsychologe Ethan Kross von der Universität Michigan (USA) hat beispielsweise 40 Freiwillige untersucht, die im vergangenen halben Jahr von ihrem Partner oder ihrer Partnerin verlassen worden waren und immer noch Liebeskummer verspürten. Dazu nahm Kross per Magnetresonanztomografie (MRT) ihre Hirnströme auf, während er ihnen gleichzeitig Fotos des oder der Ex vorlegte.

Anschließend fügte er den Probanden schmerzhafte Hitzereize am Unterarm zu. Und siehe da: In beiden Fällen – bei körperlichem Schmerz und bei der schmerzhaften Erinnerung an die verlorene Liebe – wurde dieselbe Gehirnregion aktiv: der sekundäre somatosensorische Cortex (S2). »Soziale Zurückweisung und körperlicher Schmerz werden in denselben Hirnregionen verarbeitet«, fasst Ethan Kross das Ergebnis seiner Studie zusammen.

Zu ganz ähnlichen Resultaten kam bereits vor einigen Jahren die Psychologin Naomi Eisenberger von der University of California (UCLA). Sie ließ die freiwilligen Versuchsteilnehmer seinerzeit ein Computer-Game spielen, genannt »CyberBall«. Dabei werfen sich drei Figuren auf dem Bildschirm einen Ball zu. Der Proband glaubte, hinter den beiden anderen Figuren steckten ebenfalls reale Spieler, die sich in einem anderen Raum aufhielten. In Wirklichkeit war das Spiel programmiert – und zwar so, dass die beiden virtuellen Figuren den Ball nach einer Weile nur noch einander zuwarfen. Mit der Folge, dass sich der Proband zurückgewiesen fühlte.

urängste Eisenberger und ihre Mitarbeiter stellten – ebenfalls per MRT – fest, dass in dieser Situation der vordere cinguläre Cortex (ACC) im Gehirn des Probanden aktiviert wurde, der ebenso wie der S2 an der Schmerzverarbeitung beteiligt ist. Der ACC gilt als generelles »neuronales Warnsystem« vor drohenden Gefahren, so Eisenberger. Er wird beispielsweise im Gehirn von Müttern aktiviert, wenn ihr Baby zu schreien anfängt.

Interessanterweise scheint der ACC für die Schmerzintensität selbst keine große Rolle zu spielen. Eisenberger berichtet in einem Fachartikel, dass bei hartnäckigen chronischen Schmerzen früher bisweilen eine Hirnoperation durchgeführt wurde, bei der Nervenfasern im ACC durchtrennt wurden. Hinterher spürten die Patienten den Schmerz zwar immer noch – er machte ihnen aber nichts mehr aus. Und wenn so ein neuronales Warnsystem ausfällt, ist man gegen reale Gefahren schlecht gewappnet.

Scheidung In der Frühzeit der menschlichen Evolution war das Überleben des Einzelnen vom Zusammenhalt des Stammes abhängig – der Ausschluss aus der Gruppe konnte buchstäblich den Tod bedeuten. Und auch wenn das heute nicht mehr der Fall sei, so Eisenberger, würden bei Zurückweisung immer noch die gleichen neuronalen Mechanismen in Gang gesetzt. Und das erklärt auch, warum man sich nach einer Trennung oder Scheidung so schlecht fühlt.

Doch es könnte Abhilfe geben. Eisenberger weist darauf hin, dass bestimmte Opiate oder andere Schmerzmittel wie etwa Paracetamol auch gegen das seelische Leid nach dem Ende einer Liebesbeziehung helfen könnten. Möglicherweise könnten sie auch den Stress eines Mobbing-Opfers etwas erleichtern.

Diese Vorstellung weist Ethan Kross nicht völlig zurück: »Es gibt tatsächlich einige Studien, die nahelegen, dass Paracetamol das Leid durch soziale Zurückweisung lindern kann.« Doch er fügt hinzu, dass bestimmte Meditationspraktiken seiner Meinung nach sinnvoller sind, etwa die aus buddhistischen Ideen entwickelte Achtsamkeitsmethode, bei der man Gefühle der Trauer und Enttäuschung wahrnimmt und akzeptiert und sie dadurch überwindet.

dopamin Das beste Schmerzmittel scheint aber Liebe selbst zu sein. In einer Folgestudie fügten Naomi Eisenberger und ihre Kollegin Sarah Master 25 Probandinnen – Studentinnen der UCLA – wiederum Schmerzreize durch Hitze am Unterarm zu. Einige der Studentinnen durften ihren Freund mitbringen, der während des Versuchs ihre Hand hielt.

Und diese Frauen empfanden den Hitzereiz subjektiv als weniger schmerzhaft als diejenigen, die die Prozedur allein über sich ergehen lassen musste. Ein ähnlicher Effekt zeigte sich erstaunlicherweise, als den Teilnehmerinnen während des Versuchs lediglich Fotos gezeigt wurden – entweder von Fremden, von neutralen Gegenständen oder aber von ihrem Freund. Und schon der bloße Anblick des geliebten Menschen auf einem Foto war in der Lage, das subjektive Schmerzempfinden zu senken. »Liebe hat also den gleichen Effekt wie Paracetamol«, sagt Eisenberger.

Das bestätigt auch die Anthropologin Helen Fisher von der University of Colorado. Sie untersuchte ältere Paare, die seit Jahrzehnten zusammen waren, per MRT. Und stellte fest, dass das Gehirn beim Anblick des Partners mit dem Glückshormon Dopamin überflutet wird – genauso wie bei Frischverliebten.

Und dies, glaubt Fisher, mache es so schwer, über eine verlorene Liebe hinwegzukommen. Beim Erinnern oder beim Ansehen von Fotos des Verflossenen wird immer wieder Dopamin ausgeschüttet – ein Kick, dem nur noch größere Verzweiflung folgt. Wie jedes Schmerzmittel kann Liebe eben auch eine gefährliche Droge sein.

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