NS-Geschichte

Kollaboration und Solidarität

Am 20. Januar 1942 trafen sich am Großen Wannsee in Berlin Vertreter von Nazi-Behörden zur sogenannten Wannsee-Konferenz, um die längst beschlossene »Endlösung der Judenfrage« zu planen.

Am vergangenen Sonntag, fast auf den Tag genau 73 Jahre später, wurde in der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz ein Buch vorgestellt: der neu erschienene Band 12 West- und Nordeuropa Juni 1942–1945 des Editionsprojekts Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945.

Band 12 der auf 16 Bände angelegten Edition des Instituts für Zeitgeschichte dokumentiert die Situation der Juden in Nord- und Westeuropa vom Sommer 1942 bis zur Befreiung durch die Alliierten. 1942 begannen die Deutschen mit der systematischen Deportation der Juden aus Norwegen, Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich in die Vernichtungslager.

Die Quellen im Buch veranschaulichen Täter- und Opferperspektive gleichermaßen: Fluchtversuche, Widerstand, das Leben im Versteck und in den Durchgangslagern, die tagelangen Deportationsfahrten sowie die Rettung von mehr als 5000 dänischen Juden, aber auch Deportationsquoten, Strategien zur Einhaltung sowie die Zusammenarbeit mit ausführenden Behörden vor Ort. Die Veranstalter hatten die Gedenkstätte bewusst gewählt – gerade um den historischen Ort hinter der Dokumentation mit einzubinden. Das Interesse war so groß, dass die rund 100 Zuhörer sich auch in den angrenzenden Nachbarräumen drängten.

Zeugnisse Zur Einführung in den Band las die Schauspielerin Anette Daugardt daraus vor – beklemmende Zeugnisse, darunter die Schilderungen einer jüdischen Sozialarbeiterin beim Abtransport von Kindern aus dem französischen Sammellager Drancy, Tagebucheinträge eines Amsterdamer Schriftstellers, einen Fluchtbericht nach Schweden, aber auch den Aufruf einer belgischen Organisation an alle Belgier, ihren verfolgten jüdischen Landsleuten zu helfen.

Die Judenverfolgung und die Deportationen hätten durch die jüngsten Anschläge in Frankreich eine zusätzliche Dimension bekommen, sagte Daniel Cohn-Bendit in seiner thematischen Einführung zur Podiumsdiskussion. Denn Juden wurden ermordet, weil sie Juden waren. Cohn-Bendits Eltern, deutsche Juden aus Berlin, die 1933 vor den Nazis nach Paris geflüchtet waren, flohen 1939 weiter nach Südfrankreich. Wie viele andere jüdische Flüchtlinge wurden sie dort von Bauern versteckt. »Meine Familie hatte Angst. Doch zugleich war die Bevölkerung sehr solidarisch. So kommt es, dass mein Bruder sich eher an eine wunderbare Kindheit erinnert als an die Schrecken des Verstecks«, so der 69-Jährige.

Durch welche Bedingungen unterschieden sich die Deportationen in den europäischen Ländern? Wie kam es, dass sich die Bevölkerung in einigen Ländern wie Belgien der Judenverfolgung widersetzte, in anderen hingegen kollaborierte? Was führte dazu, dass kaum ein niederländischer Jude die Schoa überlebte, während 5000 dänische Juden gerettet wurden? Fragen, die Band 12 des Editionsprojekts zu klären versucht.

Katja Happe, Barbara Lambauer und Clemens Maier-Wolthausen (Bearbeiter): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Band 12: »West- und Nordeuropa Juni 1942–1945«. De Gruyter, München 2015, 896 S., 59,95 €

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025