Aryeh Nussbaum Cohen

König David aus Brooklyn

Aryeh Nussbaum Cohen hat warme braune Augen und ein breites, einnehmendes Gesicht. Die Haarfarbe und der Stoppelbart gehen leicht ins Rötliche. Der charismatische Amerikaner scheint wie geschaffen, um einen jüdischen Helden zu verkörpern. Der 29-Jährige lässt auch gar keinen Zweifel daran: »König David ist meine absolute Lieblingsrolle!«

Die hat der Sänger jetzt in Georg Friedrich Händels Saul (von 1738) an der Komischen Oper Berlin. Er singt in einer Lage, die erst überraschend klingt und an der man sich im Verlauf des Oratoriums gar nicht satthören will – so zart, so farbig, so füllig ertönt diese hohe Stimme aus dem robusten Männerkörper.

Aryeh Nussbaum Cohen ist Countertenor – wörtlich »die Stimme, die gegen den Tenor steht«, das heißt die Oberstimme. »Ich singe sehr viel Händel. Was der heutige Tenor ist, war damals der Countertenor oder der Kastrat«, erklärt der Sänger. Mit 23 wurde er 2017 bei den Grand Finals der Metropolitan Opera National Council Auditions ausgezeichnet (unter anderem für die Klage »Dove sei« aus Händels Oper Rodelinda); die »New York Times« nannte ihn einen »vollendeten Künstler«.

FAMILIE Seitdem hat er eine steile internationale Karriere hingelegt. Eitel ist er dadurch nicht geworden: »Ich nehme meine Arbeit sehr ernst, mich selbst aber nicht«, sagt der Sänger, der als religiöser Jude in Brooklyn aufwuchs. Sein Vater kommt aus Crown Heights und gehörte früher zur Gemeinschaft von Chabad Lubawitsch, die Familie der Mutter wanderte 1938 aus Hessen in die USA ein. Mittlerweile besitzt Nussbaum Cohen einen deutschen Pass.

Als Junge liebte er Schabbatlieder und sang im Kinderchor. »Als ich in den Stimmbruch kam, versuchte ich weiter, die hohen Noten zu singen, auch wenn sie für mich nicht mehr so natürlich waren. Ich hatte nicht geplant, Countertenor zu werden, das war ein glücklicher Zufall.«

PIjUT Sein erstes Solo sang er mit 14 Jahren: »Die Kantorin der Synagoge nebenan war schwanger, das Kind sollte an den Feiertagen kommen. Sie suchten einen Chasan Scheni. Der Kantor meiner Synagoge sagte: ›Also, dieser Junge, der hat Talent.‹ Ich dachte: ›Ich bin jetzt Chasan, ich muss singen wie ein Tenor oder so.‹ Also habe ich den ganzen Gottesdienst in meiner tieferen Stimme gesungen, aber meinen Lieblingspijut ›Le El Orech Din‹ in meiner höheren Stimme. Viele haben mir gratuliert. Und von heute aus betrachtet, war das der Moment, an dem ich mich als Künstler entfaltet habe.«

All das passierte in einer Masorti-Synagoge in New York – eingewiesen in die Liturgie hatte den Jungen der Rabbiner und Kantor Sam Levine.

Nach der Schule ging Aryeh Nussbaum Cohen nach Princeton, »um Public Policy zu studieren oder vielleicht Jura. Aber dann war ich zum ersten Mal in einer Oper, in ›La Bohème‹ an der Metropolitan Opera in New York.« Sofort stand sein Berufswunsch fest: »Das war Kismet, das war baschert. Da war ich 19 Jahre alt.« Nach dem Studium wurde er Mitglied im Opernstudio der Houston Grand Opera, wo er schon damals in Saul als König David auftrat – in einer Inszenierung von Barrie Kosky.

HARFEN Für den Countertenor ist Saul »das Großartigste, was Händel je geschrieben hat«. In der Komischen Oper Berlin endet der Abend aber nicht mit Musik von Händel, sondern mit dem Lied »König David« von Herbert Howells. Darin sucht der Held Zuflucht vor Melancholie bei 100 Harfen und dem Lied einer Nachtigall. Nussbaum Cohens Gesang kann eine depressive Stimmung perfekt einfangen und auffangen.

Nur ins Programmheft sollte man danach nicht schauen: Regisseur Axel Ranisch (bisher bekannt als Filmemacher) versteigt sich zu der Aussage, er sei »schockiert« gewesen, »als ich herausfand, dass die Philister:innen Vorfahren der Palästinenser:innen« sind – eine historisch nicht zu belegende Lesart.

Aryeh Nussbaum Cohen freut sich unterdessen auf kommende Engagements an der Deutschen Oper Berlin. An den Hohen Feiertagen würde er gerne wieder einmal als Chasan auftreten. »Einige der größten Opernsänger waren auch Chasanim. Wie Richard Tucker, der in der Park East Synagogue auftrat – I love that sort of idea of keeping it going«, sagt der Countertenor und lacht so breit, dass man am liebsten sofort eine Synagogenkarte kaufen würde.

»Saul« ist an der Komischen Oper Berlin am 4. und am 10. Juni zu sehen.

Andrea Kiewel

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