Hamburg

Kino im Grindelviertel

Die Jüdischen Filmtage eröffneten mit der Komödie »Shiva Baby« und warten mit weiteren preisgekrönten Filmen auf

von Heike Linde-Lembke  07.07.2022 15:02 Uhr

Organisatoren und Unterstützer der Jüdischen Filmtage Hamburg Foto: Heike Linde-Lembke

Die Jüdischen Filmtage eröffneten mit der Komödie »Shiva Baby« und warten mit weiteren preisgekrönten Filmen auf

von Heike Linde-Lembke  07.07.2022 15:02 Uhr

Danielle möchte weg, nichts wie weg. Geht aber nicht. Denn sie sitzt auf einer Schiwa fest, und alle bedrängen sie. Familie und Freunde fragen ungeniert nach Karriere und Liebhaber, ihr aktueller Lover entpuppt sich als Familienvater mit dickem Baby, ihre Mutter ist eine hyperaktive Mamme, und ihr Sugar-Daddy taucht auch noch auf.

Mit der Drama-Komödie, kurz Dramödie, Shiva Baby eröffneten am Sonntag die Jüdischen Filmtage Hamburg. Das Publikum im gut besuchten Saal des Abaton-Kinos im Grindelviertel gleich neben der Talmud Tora Schule schaute gebannt auf die Leinwand: Wann dreht Danielle denn nun endlich durch, und wenn ja, wie?

EINFÜHRUNG Die zweiten Jüdischen Filmtage der Hansestadt konnten wohl nicht besser starten als mit Emma Seligmans mehrfach preisgekröntem Streifen, für den Julia Schumacher, Medienwissenschaftlerin an der Hamburger Universität, eine amüsante, gleichwohl fundierte Einführung hielt.

Maßgeblich organisiert wurden die diesjährigen Filmtage wie schon die ersten von Elisabeth Friedler, auch Leiterin der Jugendzentrums Chasak der Hamburger Gemeinde, sowie vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden, der Jüdischen Gemeinde Hamburg und dem Abaton-Kino.

Die Gemeinde plant die Eröffnung eines Veranstaltungsforums zur Bekämpfung von Judenhass.

»Es ist ein wunderbarer Tag für die Jüdische Gemeinde, denn wir feiern heute das zweite Abitur nach der Schoa im Joseph-Carlebach-Bildungshaus, und wir feiern die zweiten Jüdischen Filmtage Hamburg«, brachte es Eli Fel, zweiter Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, auf den Punkt. »Das ist ein Zeichen dafür, dass wir ein reges jüdisches Leben und Wirken in Hamburg haben.«

Zudem plant die Gemeinde die Eröffnung eines Veranstaltungsforums, das sich der Bekämpfung des Antisemitismus verpflichtet fühlt. »Wir wollen jüdisches Leben überreligiös ganz neu erfahrbar machen, beispielsweise durch Filme und Diskussionen, wir wollen vor allem auch Jugendlichen die Botschaft vermitteln, dass jüdisches Leben selbstverständlich ist, denn wir gehören dazu«, betonte Eli Fel.

ÜBERBLICK Andreas Brämer, stellvertretender Direktor des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden, gab bei der Eröffnung der Filmtage einen Überblick über die einzelnen Beiträge, darunter ebenfalls der spannende, mit 64 Preisen und Awards ausgezeichnete Film 1618, der die Katastrophe der Inquisition für die spanischen Jüdinnen und Juden thematisiert.

Der diesjährige Auftakt zeigte das große Interesse an jüdischen und israelischen Filmen in Hamburg.

Auch die weiteren Filme wie die israelische Komödie Greener Pastures, Itamar Wexlers Dokumentation Die Reise und die argentinische Spionage-Serie Josi, the Regretful Spy sind vielfach prämiert und werden durch Einführungsvorträge begleitet – teils in Präsenz, teils per Video wie bei Greener Pastures durch eine Live-Schalte nach Israel.

Weil die ersten Jüdischen Filmtage in Hamburg bereits ein voller Erfolg waren, schien es nur konsequent, jetzt die zweite Ausgabe im Abaton-Kino am Allende-Platz folgen zu lassen und damit genau dort, wo schon vor der Schoa sich das jüdische Zentrum Hamburgs befand. Unterstützt wurden die Filmtage von der Hamburger Kulturbehörde und zwei Stiftungen.

Auf diese Unterstützung hoffen die Veranstalterinnen auch für die dritten Jüdischen Filmtage 2023. Denn schon der diesjährige Auftakt mit Shiva Baby zeigte das große Interesse an jüdischen und israelischen Filmen in der Hafen- und Hansestadt.

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024

KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Die Zeitung »Welt« hat gefragt, wie man Jugendliche an die Thematik heranführen sollte

 21.04.2024

Memoir

Überlebenskampf und Neuanfang

Von Berlin über Sibirien, Teheran und Tel Aviv nach England: Der Journalist Daniel Finkelstein erzählt die Geschichte seiner Familie

von Alexander Kluy  21.04.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Nur nicht selbst beteiligen oder Tipps für den Mietwagen in Israel

von Ayala Goldmann  20.04.2024