The Clash, Ramones, Sex Pistols ...

Kings of Cool

Explosive Mischung: die US-Band Ramones Foto: dpa

Abgesehen von aufgeschlitzten Leggins und dem Fake-Leopardenmantel-Revival ist auch musikalisch wieder von Punk die Rede. Mit Punk werden Songwriter-Schnulzen zum Folkpunk geadelt, Komposita wie Discopunk, Dancepunk, Hip-Hop-Punk schießen wie Fliegenpilze aus dem Boden. Eine besonders seltene und skurrile Spezies wird dabei gerne übersehen: der Klezmer-Punk. Denn was, bitte schön, hat die traditionelle Tanzmusik der Ostjuden mit Pogo und grölenden britischen Underdogs zu tun?

Denkt man etwa an Sid Vicious, den Sex Pistol, der, elendiglich krepiert, sich nicht ins gelobte Land der Werbung hinüberretten konnte, tauchen stachelige Haare und ein Hakenkreuz auf dem T-Shirt auf. Symbole, die jeder halbwegs Vernunftbegabte auf den Haufen der Geschichte verbannt, anstatt sie auch noch als Anker für die eigene Selbstdarstellung und musikalische Verortung zu nutzen.

Sicherheitsnadeln Punk galt in der Tat lange als eine weiße, männliche Bewegung, die mehr mit dem Zersplittern von Bierflaschen und aufeinanderprallenden Hitzköpfen zu tun zu haben schien als mit Judentum und Klezmer. Das Irokesen-und Sicherheitsnadel-Image ist jedoch trügerisch. Die Anfänge des Punk waren jüdisch. Malcolm McLaren, Erfinder der Sex Pistols, und Bernie Rhodes, Manager von The Clash, waren Juden. Hakenkreuze und Kippa bildeten auch eine explosive Mischung bei den Ramones.

Während Tommy und Joey jüdisch waren, sammelten die beiden anderen Ramones Nazi-Devotionalien. Dass das Ganze nicht in einem großen Knall endete, lag daran, dass sich Punk Anarchie auf die Fahne geschrieben hatte und nicht Community-Denken. Es ging immer um die Outlaws, die Abgehängten, die »Search & Destroy« riefen, um Freiheit und Selbsterfindung, auch um das Spiel mit Identitäten.

Ertragen, ja produktiv umgemünzt werden konnte die Spannung zwischen Religion und utopisch-anarchischem Denken durch Humor. Joey Ramone sieht aus wie der Jude Fagin aus Dickens Roman Oliver Twist – who cares! NOFX, eine Post-Punk-Band ging sogar noch weiter, servierte »Strawberry Hitler ice cream« und empfahl die »Zyclone B Bathhouse«-Reinigung.

Vorschlaghammer Die Grenzen des schlechten Geschmacks wurden weit überschritten, zugleich wurde aber auch eine Katharsis in Gang gesetzt, das Unsagbare mit dem Vorschlaghammer zertrümmert. Im luftleeren Raum fand aber auch diese Tabula Rasa nicht statt. Catskills Comedians und andere wie Shecky Greene beeinflussten den gnadenlosen Humor ebenso wie das »MAD«-Magazin.

Heute übernehmen die Jewish Monkeys den Comedian-Part der jüdischen Punkszene. Hört man ihre Songs, reibt man sich die Hände ob der schonungslosen Kick-in-the-Ass-Mentalität und fragt sich, ob die Monkeys mit Alben wie Caravan Petrol nicht mehr zur Lösung des Nahostkonflikts und der leidigen Geschlechterdebatte beitragen als sämtliche Friedensnobel- und Buchpreisträger dieses glattgebügelten Kosmos.

Befreiung durch Komik und drei Akkorde funktioniert. Sie bläst das Hirn mindestens so frei wie der Nord-Nordostwind an Deutschlands rauester Küste. Wer sich aber doch nach mehr Substanz sehnt, sollte sich Daniel Kahn & The Painted Bird zu Gemüte führen. Kahn schafft mit Klarinette und Ukulele Klezmer-Wohlfühlstimmung, lässt aber genau diese Vertrauensseligkeit mit einem Schrei, einem Schlag zerplatzen.

Karikatur Mit seinen Texten rüttelt er uns wach aus unserer Autoritätsgläubigkeit und dem neoliberalen Heilsversprechen. Keine Spur von Punk-Folklore bei Kahn. Er nistet sich nicht in ästhetischen Kategorien wie Leder, Nieten, Springerstiefeln ein, er bricht sogar damit, indem er wie die Karikatur eines Hipsters auftritt.

Kahn verortet sich nicht, er fliegt, als Luftmensch zwischen Textgattungen und musikalischen Genres. Arbeiterlieder, Brecht, Dylan, rotzige Rhythmen, die Sprengkraft seiner Songs liegt im Gegensatz. Viel Meloche, wenig Broche – der Proletarier, der Outlaw, das akademische Proletariat – das ist es, was Kahns Musik mit den Ursprüngen des Punk verbindet und radikal-krakenhaft in die Gegenwart hineinreichen lässt.

Was den Sex Pistols oder den Dictators Hakenkreuze waren, ist Kahn das Tabu der Rache. Auf seinem Album Partisans & Parasites etwa besingt er den Partisanenführer im Zweiten Weltkrieg und Nakam-Gründer Abba Kovner: Auge um Auge, Zahn um Zahn, sechs Millionen Juden, sechs Millionen Deutsche. Massenvergiftungspläne und kalte Rache – die Swastikas der Klezmerpunks!

Befreiung Und auch die Punk-Ratte findet bei Kahn ein Äquivalent: Das Lancet-Leberegel und die Juwelwespe sind die Könige des »Survival of the Fittest«. Sie simulieren, dissimulieren und überleben. Auch hier ein Hardcore-Spiel mit dem Bild des chamäleonhaften, parasitären Juden! No risk, no fun!

In einer Zeit, in der Satiremagazine heftig unter Beschuss stehen, die Charlie-Hebdo-Redaktion niedergemäht wird und der Siegeszug der Political Correctness mit Genderwahn und Allseitsbefindlichkeits-Debatten totalitäre Ausmaße annimmt, ist die Rückbesinnung jüdischer Bands auf Punk ein Befreiungsschlag.

Denn wahre Freiheit erreicht man erst, wenn man bereit ist, die Kontrolle aufzugeben – oder mit Joey Ramones Worten: »The whole thing that became called punk – we never had any control of it.«

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