Ausstellung

»Ich wollte seine Identität erhalten«

Frau Davidmann, Sie eröffnen am Donnerstag Ihre Ausstellung »Ken. To be destroyed«. Was verbirgt sich hinter diesem Titel?
Meine Mutter bewahrte Briefe meines Onkels Ken auf, der transsexuell war. Es waren zwei große braune Umschläge. Und auf einem stand »Ken. To be destroyed«.

Wie haben Sie diese Briefe gefunden?
Als meine Mutter in ein Altersheim kam, haben wir ihre Wohnung aufgelöst und waren sehr überrascht, dass dieses kleine Archiv, das sie über die Jahre angelegt hatte, überhaupt existierte. Meine Mutter hat ihr Leben lang außerordentlich detailliert Tagebuch geführt. Meine Ausstellung ist nun ein kleiner Teil von dem, was wir bei ihr gefunden haben. Ken ist 1979 gestorben, meine Tante Hazel, seine Frau, starb 2003. Meine Mutter fuhr nach Hazels Tod nach Edinburgh, um sich um deren Nachlass zu kümmern. Und dort fand sie die Briefe, die Ken seiner Frau geschrieben hatte, und in denen er ihr davon erzählt, dass er transsexuell ist. Mutter nahm das alles mit nach London, bewahrte es in ihrem Familienarchiv auf, schrieb aber auf diesem Briefumschlag, er solle vernichtet werden.

Wie haben Sie von der Biografie Ihres Onkels erfahren?
Ich wusste, dass er eine Frau sein wollte, noch bevor wir die Briefe und Bilder fanden. 2005 schrieb ich meine Doktorarbeit, und meine Arbeit befasste sich mit dem Thema Transgender. Ich hatte seit 1999 Bilder gesammelt und Biografien aufgezeichnet. Meine Mutter wusste davon und entschied sich irgendwann, mir von Ken zu erzählen.

Das Thema ist selbst heute noch sehr schwierig. Wie hat sich Ihr Onkel gefühlt, der ja zu einer ganz anderen Zeit gelebt hat?
Es war für ihn unglaublich hart, denn damals wusste man noch fast gar nichts über Transsexuelle. Er hat in den 20er- beziehungsweise 30er-Jahren gemerkt, dass etwas anders war. Er brachte sich das Nähen bei und trug, wenn seine Eltern nicht zu Hause waren, Kleider. Er hielt alles versteckt. Und ich vermute, dass es für ihn, der auch von außen gar keine Information über das Thema hatte, unglaublich schwer gewesen sein muss, mit seinen Gefühlen zurechtzukommen. Denn die Außenwelt sah ihn als Mann, er fühlte sich aber wie eine Frau. In den 50er-Jahren heiratete er Hazel, weil er dachte, er hätte es geschafft, das Thema beiseite zu packen. Nur vier Jahre später aber erzählte er Hazel, was mit ihm los war.

Wie hat sie reagiert?
Sie war geschockt und bat meine Mutter um Rat. Daraus sind viele, viele Briefe entstanden. Meine Eltern zum Beispiel wussten nicht, dass es Menschen gibt, die sich in ihrem Geschlecht nicht wohl fühlen. Sie vermuteten sogar, dass sich Hazel das alles nur einbildete.

Die Geschichte Ihres Onkels ist ja sehr persönlich. Ist es schwierig für Sie als Familienmitglied, sie nun auszustellen?
Ich kenne ziemlich viele Transsexuelle, und als meine Mutter mir von Ken berichtete, erzählte ich es meinen Freunden. Aber ich hätte mir so gewünscht, ich hätte mit ihm darüber sprechen können. Der Auslöser für mein Projekt über Ken waren die Briefe meiner Tante, denn sie haben mich überwältigt. Sie zeigten mir eine Seite von ihr, die mir immer verschlossen blieb. Ich verglich die Briefe mit Bildern von Ken im Familienalbum. Auf denen sah er immer sehr männlich aus. Aber hätte ich, wie es auf dem Umschlag meiner Mutter stand, alles zerstört, wäre seine Identität als Frau auch für immer zerstört worden.

Haben Sie ein Lieblingsausstellungstück?
Schwer zu sagen, aber es gibt Fotos, zu denen ich eine sehr enge Verbindung habe. Es ist für mich wichtig, dass ich in Berlin ausstellen kann, denn mein Vater wurde hier geboren. Er kam mit einem sogenannten Kindertransport nach Großbritannien. Von daher hat der Ort also zusätzlich eine weitere Bedeutung für mich.

Mit der Künstlerin und Dozentin am London College of Communication sprach Katrin Richter.

Die Ausstellung »Ken. To be destroyed« öffnet am 17. März im Schwulen Museum und ist bis zum 30. Juni zu sehen.

Weitere Informationen unter:
www.schwulesmuseum.de/ausstellungen/view/sara-davidmann-ken-to-be-destroyed
www.saradavidmann.com

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 08.05.2025

Statistik

Dieser hebräische Jungenname bleibt der beliebteste in Deutschland

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat sich für ihre Erhebung die Daten deutscher Standesämter angeschaut

 08.05.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  08.05.2025

Schweiz

Israel warnt vor Reisen zum ESC

Den Eurovision Song Contests in Basel als Jude oder Israeli zu besuchen, könnte gefährlich werden: Das befürchtet Israels Sicherheitsrat und empfiehlt Bürgern Zurückhaltung und Wachsamkeit

 08.05.2025

Geschichte

Kampf ums Überleben

Jochen Hellbeck analysiert in seinem neuen Buch den deutschen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion und die Rolle ihrer jüdischen Bürger im Zweiten Weltkrieg

von Dmitirj Belkin  08.05.2025

Bergen-Belsen

»Der Holocaust wird als Kulisse benutzt, um Israel anzugreifen«

Menachem Rosensaft ist verstört über ein Theaterstück, in dem die Lage von jüdischen Schoa-Überlebenden in Displaced-Persons-Camps mit der von Palästinensern verglichen wird

von Michael Thaidigsmann  08.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Weimer: Antisemitismus in der Kultur als erstes großes Thema

Der neue Staatsminister für Kultur und Medien will an seinem ersten Tag ein Zeichen setzen - und empfängt gleich einen besonderen Gast

 07.05.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  07.05.2025

Kulturstaatsministerium

Weimer sichert Zentralrat der Juden Solidarität zu

Neuer Minister nach Gespräch mit Josef Schuster: »Für mich ist es schmerzlich, ja unerträglich, zu sehen, wie der Antisemitismus in die Gesellschaft hineinkriecht«

 07.05.2025 Aktualisiert