Iris Berben

»Ich habe eine tiefe Liebe zu Israel«

Iris Berben Foto: picture alliance/dpa

Frau Berben, Sie lesen am 4. Mai beim stARTfestival von Bayer Kultur, bei dem auch Musik aus Dmitri Schostakowitschs Liederzyklus »Aus jüdischer Volkspoesie« gespielt werden wird. Schostakowitsch sagte über jüdische Musik einmal, dass sie »Lächeln durch Tränen« sei. Was verbinden Sie damit?
Seine Musik hat eine solche Kraft der Verbindung, weil sie eben eine Form von großer Traurigkeit, aber auch von Leichtigkeit hat. Das zu vermitteln, also dass Trauer und Schmerz auch mit einer weichen Leichtigkeit verbinden werden können, ist schwer. In Filmen ist es auch immer wieder eine Frage: Nimmt man einem Thema die Seriosität, die Ernsthaftigkeit, wenn man es mit Leichtigkeit vermittelt? Ich glaube, dass genau das ein guter Weg ist, Menschen zu erreichen. Schostakowitsch ist für mich in seiner Kraft und in seiner Weichheit ein wirklicher Vermittler von Gefühlen.

Es gibt nicht nur Musik, am 4. Mai. Sie lesen auch aus dem Buch »Gleichzeit« von Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman. Musik und Lesung, das ist eine kraftvolle Kombination.
Anhand der Musik, anhand dieser Texte möchten wir eine Brücke bauen, die Menschen dazu bringt, einen Kontext herzustellen und sich auf eine Empathie einzulassen, die es ausschließt, politisch zu beurteilen oder zu bewerten. Die über das Menschliche, über den Schmerz, über die Trauer, über die Verzweiflung eine Auseinandersetzung ermöglicht. 

Salzmann und Waldman haben in »Gleichzeit« ihre Korrespondenz nach dem 7. Oktober 2023 festgehalten. Wie blicken Sie als Leserin auf dieses Buch?
Das, was dieser Text mit mir gemacht hat, ist, dass ich das Gefühl habe, ganz bei der Person und in der Situation zu sein – oder so nah wie möglich dort zu sein. Das ist unheimlich stark zu spüren. Es gibt fast keinen Trost in diesen Texten, sondern es ist ein gegenseitiges Beschreiben von Gedanken, von Verstörung, von Ängsten, von Beobachtungen. Und was kann die Antwort sein? Diese Frage beschäftigt sehr viele von uns, die wir einen Frieden herbeisehnen, herbeidemonstrieren, herbeidiskutieren wollen. Ich bin seit den 60er-Jahren in Israel. Ich habe dort auch meine Wohnung gehabt, und ich habe so vielen Diskussionen und so vielen Gesprächen zugehört, in denen es darum ging, dass eine Situation geschaffen wird, aus der heraus man dann eine Möglichkeit finden könnte. Die hat es ja immer mal gegeben. Es gab immer mal Momente, in denen man das Gefühl hatte, die Hoffnung scheint wieder ein Stück näher zu sein. Es hat auch mit unterschiedlichen politischen Führungen sicherlich zu tun gehabt. Hoffnungslosigkeit ist da. Es ist vor allem dieser Satz, der im Buch steht, der sinngemäß lautet: »Ich weiß nicht, was ich tun kann, aber ich sehe dich, ich höre dir zu, ich bin da« Und ich glaube, das geht sehr vielen Menschen gerade so, denn welche Antworten können wir noch geben, außer der Forderungen nach Frieden. Ich habe gerade einen Text in Leipzig gelesen, der auch sehr beeindruckend war.

Welcher Text war das?
Ich habe aus Chaja Polaks »Brief in der Nacht« gelesen. Es ist ein Essay, und es sind sehr persönliche, sehr eigene Beschreibungen von Gedanken, von Verwirrung und Hoffnung – und das ist bei vielen Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu spüren: das Herausschreiben der persönlichen Gefühle. Ich habe beim Lesen oft gedacht: Es ist genau diese Frage, die ich mir stelle. Es ist genau diese Wut, die ich gerade habe. Es ist genau diese Verzweiflung, die da ist. Es ist die Hilflosigkeit. Es ist so vieles, was uns umgibt, wenn wir diese sehr direkten persönlichen Texte lesen. Und die Kombination aus Texten und Musik kann Menschen die Möglichkeit geben, einen eigenen Zugang zu finden. Kultur hat diese Möglichkeit. Man merkt Schriftstellerinnen und Schriftstellern die Zeit nach dem 7. Oktober 2023 an. Ich habe im Dezember 2024 die Laudatio auf David Grossman gehalten, und mich erschrocken, als ich ihn sah, diesen Mann, der sich seit Jahrzehnten für den Frieden einsetzt, und sich jetzt auch fragt: Nützt es eigentlich was, worüber wir reden, was wir einfordern, was wir verhandeln wollen?

Sie haben kurz angesprochen, dass sie in den 60er-Jahren in Israel waren: Wie haben sie diese Zeit erlebt?
Es waren Jahre der Hoffnung. Für mich als Deutsche war es natürlich noch etwas ganz anderes, denn ich wusste nicht, wie ich mit dieser Last, als Deutsche nach Israel zu kommen, umgehen kann. Gerade in den 60er-Jahren, einer Zeit, in der es noch viele Schoa-Überlebende gab. Es war eine solche Aufbruchszeit und eine solche positive Stimmung. Ich kann mich nur erinnern, dass ich gedacht habe: Wie ist das möglich, dass so viele Nationen in diesem kleinen Stückchen Land miteinander vereint, zusammengewürfelt sind und dort miteinander leben? Diese Hoffnung wurde, so empfand ich es, sehr vom Idealismus der vielen jungen Leuten getragen. Ich bin ja über die Jahre immer wieder im Land gewesen, ich habe meinen Forschungsfonds an der Hebräischen Universität in Jerusalem, der mich ja auch immer wieder dann an die Universität bringt.

Vor 60 Jahren haben Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen zueinander aufgenommen. Fernab von der Politik: Wie steht es um die deutsch-israelische Freundschaft auf rein zwischenmenschlicher Ebene?
Die Perspektive, die ich spüre, ist in den vergangenen anderthalb Jahren mit einer gewissen Traurigkeit verbunden. Israel war ja immer auch ein Sehnsuchtsort. Ich spüre eine Art Rückwärtsbewegung. Die Freundschaft ist bei vielen, die ein Grundwissen um die Geschichte haben, ist die Freundschaft nicht zerstört worden, aber bei vielen jungen Leuten merkt man die Vorurteile. Manche können eine politische Situation nicht von den Menschen trennen. Und das ist finde ich immer bedenklich, den Menschen zu verlieren. Aber bei meinem engsten Freundeskreis, bei allen, die ich auch nach Israel mitgenommen habe, ist die Sehnsucht da, so bald wie möglich wieder hinzufahren. Ich habe so viel von Israel und durch Israel, durch seine Menschen gelernt. In Israel habe ich meinen Geschichtsunterricht auf eine Weise erfahren, wie ihn keine Schule hätte vermitteln können – und wie er auch mir nicht vermittelt wurde in den 60er-Jahren in Deutschland. Insofern ist es eine tiefe Liebe, die ich zu Israel habe. Und was man liebt, das schützt man – aber mit dem streitet man auch.

Mit der Schauspielerin sprach Katrin Richter.

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