Edition

Hitler mit Fußnoten

Geht weg wie Mankell: Top-Seller Hitler Foto: dpa

Edition

Hitler mit Fußnoten

Die Historiker Andreas Nachama und Andreas Wirsching diskutierten in Berlin über die Neuausgabe von »Mein Kampf«

von Nils Kottmann  25.04.2016 17:16 Uhr

In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland viele umstrittene Buchveröffentlichungen. Charlotte Roches Feuchtgebiete etwa wurden entweder als obszön und pervers oder als feministisches Meisterwerk bezeichnet, aber keinem Buch wurde mit so unterschiedlichen Gefühlen und Erwartungen entgegengesehen wie der mit wissenschaftlichen Kommentaren versehenen Neuveröffentlichung von Hitlers Mein Kampf.

In der vergangenen Woche sprachen Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, und Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, das die Neuedition besorgte, im Rahmen der Veranstaltung »Hitlers Mein Kampf in der öffentlichen Diskussion« in Berlin über die Entstehungsgeschichte des Buches und die Medienresonanz auf die kritische Ausgabe.

Spiegel-Bestseller Wie vertrackt die moralische Debatte um die Wiederveröffentlichung von Mein Kampf ist, darauf machte Andreas Nachama aufmerksam. Der Rabbiner und Stiftungsdirektor wies nicht ohne Stolz und mit leicht ironischem Lächeln darauf hin, dass Hitlers nun kommentierte Hetzschrift schon seit Wochen den ersten Platz auf der Spiegel-Bestsellerliste verteidigt, und legte dann dem Publikum das Buch für nur 59 Euro wärmstens ans Herz. Neben der naheliegenden Sensationalisierung durch die Medien und der Angst um ein Wiedererstarken des Nationalsozialismus müsse man »sich auch die Frage stellen, was die Überlebenden des Holocausts von der Neuveröffentlichung halten«, so Nachama.

Diese Befürchtungen erklären auch, warum es so lange gedauert hat, bis Mein Kampf wieder legal in Deutschland erscheinen konnte. Ungeachtet der Tatsache, dass man das Buch schon seit Jahren problemlos über das Internet beziehen konnte, kämpfte das Land Bayern bis zum Ablauf seines Urheberrechts am 1. Januar 2016 gegen jeden Veröffentlichungsversuch in Deutschland. Auch das Institut für Zeitgeschichte versuchte schon 2009 erfolglos, eine kommentierte Ausgabe zu veröffentlichen. Erst sehr viel später bewilligte Bayerns Finanzminister Markus Söder eine Sonderförderung von 500.000 Euro, um das Projekt zu realisieren.

Öffentlichkeit Wie reagierten Andreas Wirsching und seine Kollegen also auf den Druck und die Erwartungen der Öffentlichkeit? Mit nüchternster Wissenschaftlichkeit. »Das Werk ist die Geschichte einer Metamorphose«, so Wirsching. Der ursprüngliche Umfang des Buches von 780 Textseiten wurde mit fast 2000 Seiten beinahe verdreifacht. »Alleine die Aufmachung und das Gewicht zwingen den Leser, das Buch an einem Tisch und nicht im Ohrensessel zu lesen«, sagt Wirsching.

Das liegt vor allem an den knapp 3700 Kommentaren und Anmerkungen, die den Originaltext begleiten. Die Kommentare befassen sich unter anderem mit sachlichen Fehlern und biografischen Falschangaben Hitlers und sollen seinen Text in einen zeithistorischen Kontext rücken. Zusätzlich bringen sie Hitlers Gedanken in einen direkten Zusammenhang mit seinen Taten. Es sei also eine »Edition mit Standpunkt«, wie Wirsching es ausdrückt. »Wir wollten keine Seite Hitler drucken, ohne dass der Leser die Kommentare zur Kenntnis nehmen muss.«

Die wissenschaftlichen Rezensionen zur Neuveröffentlichung von Mein Kampf sind überwiegend positiv. Der wesentliche Kritikpunkt, der auch von Historikern wie Götz Aly geäußert wurde, sind der Umfang und die Detailliertheit der Kommentare. Wirsching kritisiert den eigentlich unnötigen Medienrummel: »Hätte man das Buch schon in den Neunzigern veröffentlicht, würde nicht die magische Zahl des 1. Januar 2016 im Raum stehen.« Die NPD dürfte das Buch ohnehin kaltlassen. Wie Nazis sehen die rund 100 Bildungsbürger im Publikum jedenfalls nicht aus.

USA

Trauer um Filmmusiker Mark Snow

Der Komponist starb am Freitag im Alter von 78 Jahren

 05.07.2025

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 03.07.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  03.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  03.07.2025

Sehen!

»Hot Milk«

Die Mutter-Tochter-Geschichte unter der Regie von Rebecca Lenkie­wicz ist eine Adaption des Romans von Deborah Levy

von Anke Sterneborg  03.07.2025

Aufgegabelt

Iced Tahini Latte

Rezepte und Leckeres

 02.07.2025

Essay

Wenn der Wutanfall kommt

Kleine Kinder können herausfordern. Was macht das mit Eltern? Reflexionen einer Mutter

von Nicole Dreyfus  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025