Topographie des Terrors

Historiker Hans Mommsen geehrt

Götz Aly und Hans Mommsen (v.l.) Foto: Topgraphie des Terrors

Er ist gebrechlich geworden, seine Antworten sind noch lakonischer als vor 20 Jahren. 83 Jahre alt ist Hans Mommsen jetzt – nicht zum ersten Mal wird das Lebenswerk dieses bedeutenden Historikers bilanziert. Doch die Würdigung, zu der es jetzt in der Berliner »Topographie des Terrors« kam, war eine ganz besondere, persönliche, liebenswürdige.

Götz Aly, Freund und in vielerlei Hinsicht Schüler Mommsens, hatte eingeladen, und es kamen so viele Interessierte, dass noch der Vorraum, in dem die Veranstaltung auf der Leinwand gezeigt wurde, überfüllt war. 90 Minuten sprach man über Mommsens Lebenswerk und über sein neuestes Buch: Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa.

Die Leistungen Hans Mommsens für die Erforschung der Ursachen der Schoa und der NS-Terrorherrschaft könnten gar nicht genug gewürdigt werden. Aly gab einen Überblick über den Karriereweg des Historikers, der zunächst gar nicht in die Fußstapfen seines Vaters und Urgroßvaters treten wollte, als Mittelalterfachmann begonnen hatte, um sich dann doch von den brennenden Fragen der Zeitgeschichte und den offenen Wunden der deutschen Gesellschaft einnehmen zu lassen.

kommunikatives Handeln »Die Beantwortung der Frage, wie das geschehen konnte«, so Mommsen, habe ihn zeitlebens angetrieben. Die linksliberalen Historiker Aly und Mommsen sparten in dem Podiumsgespräch auch nicht an Spitzen gegen manche ihrer Kollegen aus dem gleichen linksliberalen Lager.

Weder der letztendlichen Erklärung des NS-Terrors mit der »charismatischen Herrschaft« Hitlers (so Hans-Ulrich Wehler unter Bezug auf Max Webers Herrschaftssoziologie) noch der optimistischen Deutung deutscher Geschichte als harmonischer »Weg nach Westen« (Heinrich-August Winkler), in dem der NS-Staat nur eine störende Unterbrechung darstellt, kann Mommsen viel abgewinnen.

»Mommsens Hauptverdienst«, so Aly, »besteht darin, Fragen offenzuhalten und dem Eindruck des sicheren Wissens ein Klima freier Diskussion entgegenzustellen«. Geschichtsschreibung als kommunikatives Handeln – so verstanden, verkörpert Hans Mommsen das Beste der alten Bundesrepublik.

Hans Mommsen: »Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa«. Wallstein, Göttingen 2014, 234 S., 19,90 Euro

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025