Gastspiel

Habimah in Berlin

Szene aus »Jeder stirbt für sich allein« Foto: Gerard Allon

Mit subversiven Pamphleten gegen das Hitler-Regime? Lange Zeit dachte man dabei zuerst an die Geschwister Scholl. Die Berliner Eheleute Otto und Elise Hampel, die nach dem Kriegstod ihres Sohnes mit anonymen Postkarten gegen den Nazi-Wahn aufbegehrten, waren dagegen lange Zeit relativ unbekannt.

Dabei hatte der Erfolgsautor Hans Fallada (Kleiner Mann – was nun?, Wer einmal aus dem Blechnapf frißt) die traurige Geschichte des verzweifelten Paares bereits 1946 als Roman mit dem Titel Jeder stirbt für sich allein aufgeschrieben; seitdem wurde die Geschichte oft fürs Fernsehen und Kinoproduktionen adaptiert.

Erst seit einiger Zeit, mehr als 60 Jahre nach der Erstveröffentlichung, erfährt Jeder stirbt für sich allein große Aufmerksamkeit. Im vergangenen Jahr wurde die Hollywoodverfilmung auf der Berlinale vorgestellt. Die neu aufgelegte Ausgabe des Romans stand vergangenes Jahr monatelang in den Bestsellerlisten. Das Buch wurde in über 30 Sprachen übersetzt, darunter auch in Hebräisch, Französisch, und Norwegisch.

hebräisch Nun hat sich das israelische Nationaltheater Habimah der Geschichte angenommen – und präsentiert seine Adaption am Dienstagabend im Maxim Gorki Theater. Gezeigt wird das Stück auf Hebräisch mit deutschen und englischen Übertiteln. Inszeniert wird die Produktion vom israelischen Regisseur Ilan Ronen, der von 2005 bis 2016 künstlerischer Leiter des Habimah war. Zuletzt inszenierte Ronen – dessen Tochter Yael Hausregisseurin am Maxim Gorki Theater ist – im Frühjahr Alles muss glänzen am Theater Kurfürstendamm Berlin mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle.

Als einer der Ersten skizzierte Fallada in seinem unbequemen Roman den NS-Alltag und hielt vermeintlich unschuldigen Mitläufern den Spiegel vor. Auf über 700 Seiten schildert er die Stimmung in einem Berliner Mietshaus, dessen Bewohner einen Querschnitt der Bevölkerung des Jahres 1940 bildeten. Ein fanatischer Blockwart, ein pensionierter Richter mit Zivilcourage, der sich jedoch ins innere Exil zurückgezogen hat, ein Hitlerjunge und ein Denunziant, der die Wohnung jener Jüdin plündert, deren Mann deportiert wurde.

Und mittendrin das Ehepaar Otto und Elise Hampel, das Fallada Quangel nannte. Ein Feldpostbrief teilt ihnen samt den üblichen Floskeln mit, ihr Sohn sei im Frankreich-Feldzug gefallen. Für das Paar bricht eine Welt zusammen. Mit Flugblättern warnen sie fortan vor dem Verderben, für das die Nazis stehen.

star Die Rolle des Widerstandskämpfers Otto Quangel in der Berliner Aufführung von Jeder stirbt für sich allein spielt Norman Issa. Der arabisch-israelische Schauspieler ist in Israel ein Superstar und wurde durch seine Rolle in der Erfolgsserie Arab Labor von Drehbuchautor Sayed Kashua einem größeren Publikum bekannt.

Am Tag nach der Aufführung erkundet ein Symposium am Maxim Gorki Theater die Verbindung des Habimah mit Berlin und untersucht die historischen, kulturellen und sozialen Bedingungen, die es einem hebräischsprachigen Theater erlaubten, vor beinahe 100 Jahren zu florieren. Nach der Gründung des Theaters in Moskau im Jahr 1917 verließ die Kompanie Russland 1926 und fand ein vorübergehendes Zuhause in Berlin, bevor sie 1931 nach Palästina weiterreiste.

An dem Symposium ab 16 Uhr unter dem Motto »Habimah in Berlin« am Mittwochabend nehmen unter anderem die Literaturwissenschaftlerin Anat Feinberg, der Regisseur Ilan Ronen und Moderator Ofer Waldman teil.

Sowohl das Theaterstück als auch das Symposium werden im Rahmen des Berliner ID Festivals für israelisch-deutsche Kultur gezeigt. Die Veranstaltungsreihe wurde im Jahr 2015 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Arbeiten von israelisch-deutschen Künstlern eine Plattform zu geben. Gefördert wird das ID Festival von der Friede Springer Stiftung, der Szloma-Albam-Stiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). epd/ppe

www.gorki.de

Israel

Ausstellung zu Bachs Klaviermusik in Jerusalem

Das Bachhaus Eisenach zeigt in Israel Dokumente zur frühen Verbreitung von Johann Sebastian Bachs Musik in Europa. Die Ausstellung begleitet das »12. Piano Festival« im Jerusalem Theatre

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Fotografie

Über die Würde des Unangepassten

Der Berliner Gropius Bau widmet Diane Arbus eine umfangreiche Retrospektive

von Bettina Piper  11.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 11.12.2025

Reykjavik

Auch Island boykottiert jetzt den ESC

Der isländische Rundfunksenders RÚV hat beschlossen, sich Spanien, Irland, Slowenien und der Niederlande anzuschließen

 11.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025