TV-Tipp

Geschichte ohne Verklärung

Golda Meir Foto: imago images/Everett Collection

»In ihrer Anwesenheit fühlten sich die Leute wie Kinder«, erzählt der Journalist und langjährige Knessetabgeordnete Uri Avnery und fügt schnell hinzu: »Wir haben uns gehasst.«

Andere Gesprächspartner in dem Dokumentarfilm Golda Meir. Ministerpräsidentin des Regisseurs Sagi Bornstein erinnern sich dagegen voller Respekt an die israelische Regierungschefin, die 1969 dem plötzlich verstorbenen Levi Eshkol als Kompromisskandidatin ins Amt folgte. Für Henry Kissinger war sie eine »extrem harte Verhandlungspartnerin. Sie lässt sich mit niemand anderem vergleichen, mit dem ich je verhandelt habe«.

Ukraine Golda Mabovitch war noch am Ende des 19. Jahrhunderts in Kiew geboren. Auf die Frage, ob sie Erinnerungen an ihre Kindheit in der Ukraine habe, antwortete sie: »Nichts Positives!« Ihre erste Erinnerung war, wie ihr Vater Türen und Fenster des Hauses zunagelte, aus Angst vor Pogromen. Als sie acht Jahre alt war, holte er sie und ihre Mutter nach Milwaukee nach, wo er eine Zukunft in Sicherheit suchte.

Doch Golda wollte weiter, 1921 machte die in ärmlichen Verhältnissen lebende Golda Myerson, mittlerweile verheiratet, Alija. 50 Jahre später wurde das Mädchen, das einst als Flüchtling nach Milwaukee kam, von Präsident Nixon im Weißen Haus empfangen. Sie war die erste weibliche Ministerpräsidentin der Welt, die nicht als Tochter oder Witwe eines Staatsmannes an die Macht kam.

Oslo-Verträge Golda spaltete. Die Palästinenser wollte sie nicht als Volk anerkennen. Avnery meint, sie behandelte die Araber, »als ob sie vom Mond gekommen wären«. Yossi Beilin, Architekt der Oslo-Verträge, wirft ein, sie wollte die Mitgift, aber nicht die Braut. Keinesfalls sollten die Palästinenser Bürger Israels werden. In Goldas eigenen Worten durfte die jüdische Mehrheit niemals infrage gestellt werden: »Ich möchte nicht nachts aufwachen und zählen. Ist heute Nacht ein jüdisches oder ein arabisches Kind geboren worden?« Ihr Pressesprecher Meron Medzini erinnert sich: »Sie hatte keine Vision für die Zukunft.«

Ihr großer Test war der Jom-Kippur-Krieg 1973. Die Stimmen über ihre Rolle gehen auch in dieser Doku auseinander. »Als Moshe Dayan zusammengebrochen ist, hat sie den Laden geschmissen. Ihr ist zu verdanken, dass die Niederlage abgewendet werden konnte«, hört man auf der einen Seite, dagegen die Stimme eines ehemaligen Offiziers: »Unsinn! Die Soldaten auf dem Schlachtfeld haben es geschafft.« Er stand damals vor ihrem Regierungssitz mit dem Plakat »Unsere Großmutter – 3000 tote Enkelkinder«.

Ende Als bei der Trauerfeier für die gefallenen Soldaten Stimmen zu hören waren, die »Mörder« riefen, war ihr klar, dass dies das Ende ihrer Regierung sein würde. Ihr Mythos lebt vor allem im Ausland weiter. Golda Meir. Ministerpräsidentin ist eine wichtige Dokumentation für alle, die Geschichte ohne Verklärung sehen wollen.

»Golda Meir. Ministerpräsidentin«. 3sat, Donnerstag, 29. April, 23 Uhr

Andrea Kiewel

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