Rezension

Gesellschaftliche »Schwachstellen«

Yishai Sarid Foto: imago images/Agencia EFE

Yishai Sarid, Jurist, ehemaliger Offizier mit geheimdienstlichen Aufgaben und vormals stellvertretender Staatsanwalt in Tel Aviv, schreibt leidenschaftlich und höchst erfolgreich Bücher. Obwohl sie Fiktion sind, spiegeln sie unangenehme Wahrheiten unseres realen Lebens wider. Speziell vor der eigenen Haustür unserer westlichen Gesellschaften wird da gefegt – und das stets in rasantem Erzähltempo.

So auch im jüngsten Werk des 58-jährigen Israeli. Schwachstellen heißt es. Die auszumachen, ist der Job des 23-jährigen Hackers Siv, dessen Begabung schon in der Armee auffällt. Und so wird Siv direkt von einer Firma rekrutiert. Das Geld, das er verdient, ermöglicht es ihm, seinem zerrütteten Elternhaus zu entkommen – doch der Job, der ihm immer brisantere Aufträge beschert, schafft neue Abhängigkeiten.

Abhörsysteme und moralische Bedenken

Als Siv in einem autokratischen Land, das erkennbar osteuropäische Züge trägt, ein Abhörsystem installieren muss, das zum Auffinden von Regimegegnern gedacht ist, scheint er erstmals moralische Bedenken zu haben. Doch das Geld und die Möglichkeiten, die Technik auch für sich privat zu nutzen, ziehen ihn immer mehr in den Bann. Das Kontrollieren anderer wird ihm zur Sucht. »Ich teilte den Bildschirm auf und beobachtete mehrere Ziele gleichzeitig. Sog ihr Leben ein, als verschlänge ich Schokolade, Wurst und Brei auf einmal, bis mir zum Kotzen war.«

Nach einem Putsch in einem der betreuten Länder gerät er als Handlanger des alten Regimes selbst in Gefahr und beginnt, an seiner Arbeit zu zweifeln. Andererseits bleibt die Macht über andere eine Verlockung. All das ist natürlich eine Allegorie auf unseren heutigen Umgang mit Daten, auf die Sorglosigkeit, mit der wir unsere Informationen streuen, während sie Profis wie Siv zusammenfegen und zu perfekten Bewegungs- und Verhaltensprofilen zusammensetzen. Aber es geht auch um die Frage von Privatsphäre versus Sicherheit. Wie immer bezieht Yishai Sarid seine Leser in die Probleme und Gefahren für unsere westlichen Gesellschaften ein.

Das Resultat sind spannende, in Krimi-Form gegossene Abhandlungen über Doppelmoral und politische Gefahren – eben die Schwachstellen in unseren Gesellschaften. Welche moralischen Schlüsse wir daraus ziehen, bleibt uns überlassen.

Yishai Sarid: »Schwachstellen«. Roman. Übersetzt von Ruth Achlama. Kein & Aber, Zürich/Berlin 2023, 228 S., 24 €

Andrea Kiewel

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