Nachruf

Filmgröße, Sängerin, Kämpferin

Vor über 40 Jahren zwängte sich die junge Olivia Newton-John in ein hautenges Lederoutfit und wurde als blond gelockte Sandy in dem Hit-Musical »Grease« an der Seite von John Travolta weltberühmt.

Diesen Durchbruch feierte die Sängerin und Schauspielerin 1978, als sie sich in »Grease« vom braven Schulmädchen zur 50er-Jahre-Sexbombe mauserte. »Das war auch für mich ein Aha-Erlebnis, denn ich war eher ein Hippie-Bohème-Typ, wenn es um meinen Kleidungsstil ging, und das war va-va-va-boom!« schrieb sie in ihren Memoiren »Don’t stop believin‹«: »Stärke kommt davon, dass du das Sagen hast und die bist, die Du sein willst.«

Nun hat Newton-John mit 73 Jahren ihren jahrzehntelangen Kampf gegen Krebs verloren. Sie sei am Montagmorgen (Ortszeit) »friedlich« auf ihrer Ranch in Südkalifornien gestorben, gab ihr Ehemann John Easterling bekannt. Dabei war sie von Freunden und Familie umgeben. »Olivia war ein Symbol für Sieg und Hoffnung, mehr als 30 Jahre lang, in denen sie ihren Weg mit Brustkrebs teilte«, hieß es auf Instagram.

1992 war sie zum ersten Mal an Krebs erkrankt und musste sich eine Brust abnehmen lassen. 2013 kehrte der Krebs zurück und streute auch in der Schulter. 2018 war ein Tumor in ihrer unteren Wirbelsäule festgestellt worden.

2019 versteigerte Newton-John ihre ikonischen »Grease«-Outfits zusammen mit 500 Stücken aus ihrem Kleiderschrank und ihrer Andenkensammlung - für einen guten Zweck. Ein Teil des Auktionserlöses kam einem von ihr gegründeten Krebs-Zentrum in Australien zu.

»Es wird uns hoffentlich dabei helfen, Krebs zu besiegen, das ist mein Traum«, sagte sie damals im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Im Vorfeld der Auktion stand sie im Rampenlicht, und strahlte für Fotografen. »Mir geht es wirklich fantastisch gut«, sagte sie. »Vor einem Jahr konnte ich nicht laufen und nun bin ich wieder ganz auf den Beinen.«

Am 26. September 1948 wurde sie in eine deutsch-britisch-jüdische Akademikerfamilie geboren. Ihr Großvater war der jüdische Quantenphysiker und Nobelpreisträger Max Born, der mit seiner Familie 1933 vor den Nazis nach Cambridge geflohen war.

Newton-Johns Großmutter mütterlicherseits war ebenfalls jüdisch; durch sie war sie eine Cousine dritten Grades des Komikers Ben Elton. Ihr Urgroßvater mütterlicherseits war der Jurist Victor Ehrenberg und der Vater ihrer matrilinearen Urgroßmutter war der Jurist Rudolf von Jhering.

Als sie fünf Jahre alt war, wanderte Newton-Johns Familie nach Australien aus. Newton-John gründete dort als Teenager eine Mädchenband. Ein Talentwettbewerb brachte die 15-Jährige nach Großbritannien zurück, wo sie 1966 ihre erste Platte aufnahm. 1974 vertrat sie Großbritannien mit ihrem Song »Long Live Love« beim Eurovision Song Contest in Brighton und kam auf den vierten Platz. Dann kam »Grease« und machte sie weltberühmt. Dennoch habe sie sich in den Jahrzehnten danach nie wirklich verändert, sagte »Grease«-Regisseur Randal Kleiser (76) nun der BBC: »Sie war charmant, liebenswürdig, warmherzig... Es gibt so viele Klischees, die man auf sie anwenden kann, aber in ihrem Fall war alles wahr.«

Später stand sie für das Fantasy-Musical »Xanadu« (1980) auf Rollschuhen vor der Kamera und landete mit dem Album »Physical« 1981 einen Nummer-eins-Hit in ihrer Wahlheimat, den USA. Auch in Deutschland war sie erfolgreich. Das Album gewann einen Grammy, doch einige US-Radiostationen verbannten die Songs wegen eindeutiger sexueller Anspielungen.

Im Jahr 1992 endete der Höhenflug: Ihr Vater starb an Leberkrebs, wenig später wurde bei Newton-John Brustkrebs diagnostiziert. Sie setzte sich seither unermüdlich für Brustkrebs-Überlebende ein und sammelte Gelder für Forschung und Behandlung. 2008 heiratete sie ihren zweiten Ehemann, den Geschäftsmann John Easterling, mit dem sie das Interesse an Naturheilkunde verband.

Zur eigenen Behandlung setzte sie auf Schulmedizin und Cannabis-Öl. Ihr Mann ist ein Pflanzenexperte, der Cannabis anbaut und Tinkturen für sie zubereitet, sagte die Wahl-Amerikanerin 2019. »Das nehme ich täglich zu mir und bin so von starken Schmerzmitteln losgekommen.« Auch Singen war für sie Therapie. »Ich liebe es immer noch zu singen, aber ich habe keine Pläne, auf eine Konzerttour zu gehen.«

Glosse

Der Rest der Welt

Reif, reifer, Reifeprüfung: Warum ich jedes Jahr Abitur mache

von Nicole Dreyfus  22.06.2025

Lesen!

Menahem Pressler

Ein Jugendbuch schildert das Jahrhundertleben des jüdischen Pianisten

von Maria Ossowski  22.06.2025

Aufgegabelt

Schoko-Babka

Rezepte und Leckeres

 22.06.2025

Literatur

Die Kunst, das Opfer und die Ministerin

In seinem Schlüsselroman nimmt Jonathan Guggenberger den Antisemitismus im Kulturbetrieb aufs Korn

von Ralf Balke  22.06.2025

Justiz

Dieter Hallervorden und Diether Dehm zeigen Kanzler Friedrich Merz wegen »Drecksarbeit«-Aussage an

Mit seiner Bemerkung zu Israels Angriff auf den Iran hat Kanzler Merz für viel Zustimmung und Ablehnung gesorgt. Nun sollte sich die Justiz damit beschäftigen, meinen einige

 20.06.2025

Medien

Enkel des »Weltbühne«-Gründers übt scharfe Kritik an Verleger Friedrich

Erst kürzlich hatte der Verleger der »Berliner Zeitung« die Zeitschrift »Weltbühne« wieder aufleben lassen. Nun erhebt der Enkel des jüdischen Gründers schwere Vorwürfe gegen ihn

 20.06.2025

TV-Tipp

Robert Lembke: Schikaniert wegen seines jüdischen Vaters

Wer war der Moderator Robert Lembke? 70 Jahre nach dem Start der legendären Quizsendung »Was bin ich?« fasziniert das Dokudrama »Robert Lembke – Wer bin ich?«. Ein Schatz in der ARD-Mediathek

von Gregor Tholl  20.06.2025

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025

Kulturkolumne

Zwischen Kotel und Kotti

Wie KI unseren Autor berühmt machte

von Eugen El  19.06.2025