»Panikmacher«

Feuer frei!

Es herrscht Krieg. Gläubige gegen Ungläubige. Gefahrensucher gegen Gefahrenabwiegler. Übertreiber gegen Untertreiber. Paranoiker gegen Blauäugige. Islamfreunde gegen Islamfeinde. Und wie es sich für einen Kampf quasi religiöser Weltanschauungen gehört, gehen alle Beteiligten mit einem Furor zu Werke, der bei halbwegs nüchterner Betrachtung fast schon mitleiderregend ist.

Denn die Kontrahenten (sie sind kaum mehr als eine Handvoll) haben es sich längst in ihren metertiefen Schützengräben bequem gemacht. Ein Stellungskrieg mit festbetonierter Grenzziehung. Kein Vor, kein Zurück. Hauptsache, der Frontverlauf bleibt erhalten. Nur ab und an verlässt einer der selbst ernannten Schwergewichte für kurze Zeit seinem Unterstand, um Richtung gegnerische Linie eine ideologische Breitseite abzufeuern. In der Regel wird gleich darauf zurückgeschossen. Dann steigt Pulverdampf auf, der sich nach einigen Wochen gelegt hat. Bis zum nächsten Gefecht.

Abrechnung Derzeit ist das Feuilleton in Deutschland – dort toben sich Islamkritiker und ihre Widersacher in der Regel aus – wieder mal in Kampfeslaune. Es wird gestritten, polemisiert, attackiert, zuweilen auch unter der Gürtellinie. Auslöser des jüngsten Waffengangs ist eine soeben erschienene Streitschrift des Journalisten Patrick Bahners.

Die 300 Seiten haben einen Titel mit klarer Aus- und Ansage: Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. Es handelt sich (nicht nur, aber vor allem) um eine bemerkenswerte Abrechnung mit Meinungsmachern wie Henryk M. Broder, Ayaan Hirsi Ali, Ralph Giordano, Necla Kelek, Thilo Sarrazin, Alice Schwarzer und Peter Sloterdijk. Sie alle sind gewissermaßen Lieblingsfeinde des FAZ-Feuilletonchefs Bahners. Weil die Damen und Herren nach Ansicht des 44-Jährigen zu den mehr oder weniger prominenten Vertretern einer Kultur des Ressentiments» gehören.

Denn sie schürten geradezu krampfhaft die Angst vor dem Islam. Diese Furcht habe gar etwas Paranoides, wie Bahners in einem Interview mit der ZEIT betonte: «Wahnhaft erscheint mir, dass man nun vor jedem türkischen Gemüsehändler und vor jeder Kopftuchträgerin Angst haben muss.»

Hysterie, Alarmismus? Das können die Islamkritiker selbstredend nicht auf sich sitzen lassen. Bahners’ Buch ist kaum gedruckt, da blasen die Gescholtenen bereits zum Gegenangriff. Sarrazin darf – warum auch immer – sogar in der FAZ Maß nehmen. Er tut dies überraschend flüssig-süffig. Der erfolgreichste Sachbuchautor seit 1945 (Deutschland schafft sich ab), der sich in die Phalanx der Islamkritiker eingereiht hat, hält Die Panikmacher für eine einzige große Diffamierung.

Hier sei «Erdogans Ghostwriter» zugange. Broder wiederum wirft dem FAZ-Kulturchef vor, heiße Luft zu verbreiten und rät ihm «Augen auf, Kollege». Auf gut Deutsch: Herr Bahners kapiert einfach nicht, welche Gefahr dem Islam innewohnt. Aber selbstverständlich findet Die Panikmacher auch Lob und Zuspruch, wie es sich für einen richtigen Feuilleton-Krieg gehört.

scheuklappen Das Problem ist nur: Der Erkenntnisgewinn bei der Lektüre von Rede und Gegenrede hält sich in sehr bescheidenen Grenzen. Beide Seiten haben recht. Und liegen dennoch oft meilenweit daneben. Was ihren ideologischen Scheuklappen geschuldet ist. Das gilt auch für Bahners’ Warnung vor den Panikmachern.

Es ist zwar aller Ehren wert – und der FAZ-Redakteur tut das mit durchaus plausiblen Argumenten –, das hehre Lied auf Multikulti anzustimmen. Ebenso trifft es zu, dass nicht jeder bärtige Muslim Dynamit um den Bauch gebunden hat und die Weltherrschaft herbeibomben will. Auch existiert fraglos hierzulande eine religiös konnotierte, ressentimentgeladene Fremdenfeindlichkeit.

Doch Bahners kommt beim Blick in die Abgründe der Gesellschaft hin und wieder mal die Realität abhanden. Denn der militante Islam, der Islamismus, ist nun mal eine größere und realere Bedrohung für das friedliche Zusammenleben, als es die Islamkritiker sind. Wer den «wahren» Glauben angreift, muss um sein Leben bangen oder hat es, wie der niederländische Regisseur Theo van Gogh, bereits gewaltsam verloren. Was ist tolerant daran, dass der dänische Zeichner der Mohammed-Karikaturen wohl bis zu seinem letzten Tag von Bodyguards vor muslimischen Eiferern geschützt werden muss?

Von den blutigen Anschlägen in Madrid, London und New York ganz abgesehen. Und wer durch Berlin-Neukölln spaziert oder einen Deutschkurs an einer Volkshochschule gibt, der kann das Ausmaß der Parallelgesellschaften mit Händen greifen. Da darf einem ruhig angst und bange werden.

Tabubrecher Aber ist Furcht-Verbreiten im Namen der Aufklärung die richtige Antwort auf solche Missstände? Selbstverständlich muss auf Fehlentwicklungen (Stichwort Ehrenmord) hingewiesen und ihnen entgegengewirkt werden. Das wird getan, besonders lautstark von den Islamkritikern.

Doch die schießen eben allzu oft (ein Hurra auf uns Tabubrecher!) über das Ziel hinaus. Einem Kreuzzug gleich fühlen sie sich berufen, die Welt vom bösen Islam befreien zu müssen. Das hat schon, da liegt Bahners ganz richtig, etwas Wahnhaftes. Wie die ganze Debatte.

Dass sie inzwischen ein etwas größeres Publikum anzusprechen vermag, ist allerdings allein das zweifelhafte Verdienst von Sarrazins Kampfschrift. Der Ex-Bundesbanker hat es geschafft, mithilfe von zahllosen fragwürdigen Statistiken aus Kopftuchmädchen und Gemüsehändlern veritable Schreckgespenster zu machen.

Und Schrecken verbreiten gehört nun mal zu jedem anständigen Krieg dazu. Doch auch, wenn die Islamkritiker und deren Kontrahenten sich ohne Unterlass und mit Wonne ins Schlachtgetümmel werfen – dieser Krieg ist ebenso überflüssig wie die meisten anderen. Und heilig schon gleich gar nicht.

Patrick Bahners: Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. C.H. Beck, München 2011, 320 S., 19,95 Euro

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