Universität

»Einzigartig in Europa«

Herr Bodenheimer, Sie sind seit dem 1. August Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Basel. Wie kam es dazu?
Wir sind eine ganz kleine Fakultät, da kommt rein turnusmäßig jeder irgendwann einmal an die Reihe. Ich wäre sogar schon vor zwei Jahren dran gewesen, aber seinerzeit war ich gleichzeitig noch Rektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Die Ernennung zum Dekan ist also in diesem Sinne keine außerordentliche Leistung. Das Außerordentliche ist allerdings, dass es überhaupt so weit gekommen ist: Es ist bislang einzigartig in Europa, dass ein Jude eine christliche theologische Fakultät leitet.

Warum gab es das bisher nicht?
Es gibt kaum Juden, die an einer theologischen Fakultät eine ordentliche Professur innehaben. In Deutschland wäre das schon allein wegen der konfessionellen Regelungen gar nicht möglich. Im angelsächsischen Raum mag das anders sein, weil dort religionswissenschaftliche Fakultäten nicht so eng an die Kirchen gebunden sind. In Basel habe ich diese Professur seit 2004. Dennoch ist es auch in der Schweiz zuvor an einer theologischen Fakultät noch nie vorgekommen.

Hat Ihre Ernennung zum Dekan eine Signalwirkung über das Bisherige hinaus?
Dass nun ein Professor der Jüdischen Studien Kopf einer Theologischen Fakultät ist, zeigt, dass das Fach als vollgültig anerkannt wird. Ich bin ja in erster Linie Wissenschaftler, das hat nicht unbedingt damit zu tun, dass ich Jude bin. Dennoch kann man sagen: Das Judentum, sowohl in seiner wissenschaftlichen als auch in seiner gesellschaftlichen Form, ist so weit angekommen, dass Juden über sich selbst sprechen können – auf Augenhöhe mit dem Rest der Gesellschaft.

Sehen Sie Ihre neue Position auch als ein Signal für den jüdisch-christlichen Dialog?
Oft waren früher Juden die Partner, die man brauchte und denen man viele nette Worte mitgab, aber man hat sie nicht wirklich als gleichberechtigt betrachtet. Im Prinzip blieb die christliche Leitkultur bestimmend dafür, was es über das Judentum zu sagen gab. Ich sehe darin schon ein Signal, dass das Judentum als gleichberechtigte kulturelle Entität angekommen ist.

Wie wollen Sie Ihre neue Position nutzen?
In wissenschaftlicher Hinsicht möchte ich einen Studiengang für multireligiöse Kulturen etablieren. Daran arbeite ich gemeinsam mit dem Islamwissenschaftler Maurus Reinkowski, der gerade aus Freiburg nach Basel gekommen ist, und den Kollegen von der Theologie. Was wir planen, soll über die rein religionsbezogenen Fächer hinausgehen. Jenseits der Wissenschaft will ich mich im kirchlich-gesellschaftlichen Bereich engagieren. Seit 2004 bin ich dabei, wenn sich die Fakultät einmal im Jahr mit Vertretern der Kirchen trifft. Es gibt heute keine kirchliche Realität mehr, ohne dass man sich auch mit dem Judentum auseinandersetzt.

Ist die Zusammenarbeit mit den christlichen Kollegen gut?
Ja, ich fühle mich in dieser Fakultät wirklich als Kollege und nicht nur als sozusagen ethnologisches Anschauungsobjekt. Man fragt sich natürlich am Anfang, ob man nur eine Alibifunktion hat oder tatsächlich ein Kollege ist, der einfach seine Besonderheiten mitbringt –und so fühle ich mich. Es war von Anfang an eine demokratisch-kollegiale Stimmung. Anders würde es auch nicht funktionieren, man ist ja relativ feinfühlig, was das betrifft.

Mit dem Professor für Jüdische Studien sprach Ingo Way.

Fotografie

Sinfonie einer Großstadt

Das Berliner Bröhan-Museum zeigt die ikonischen Bilder von Andreas Feininger aus New York

von Sabine Schereck  25.03.2023

Kulturtipp

Malabi und Schesch Besch

Unsere Israel-Korrespondentin Sabine Brandes hat einen Reiseführer über Tel Aviv geschrieben. Ein Auszug

von Sabine Brandes  25.03.2023

USA

Facebook-Gründer Zuckerberg zum dritten Mal Vater geworden 

Lange wurde über den Namen des Babys gerätselt. Jetzt wurde er bekannt. Das Paar Zuckerberg bleibt seinen besonderen Namensvorlieben treu

 24.03.2023

Berlin

Joachim Gauck und Herta Müller fordern Unterstützung für Exilmuseum

In der Hauptstadt entsteht ein Museum über die Vertreibung aus Deutschland während der NS-Zeit und heutige Fluchtbewegungen

von Bettina Gabbe  24.03.2023

Legenden

Reporter und Revolutionär

Vor 75 Jahren starb Egon Erwin Kisch: Seine Reportagebände haben bis heute nichts an ihrer Faszination verloren

von Michael Heitmann  24.03.2023

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Fotoporträts des Künstlers

Zu sehen sind 16 Aufnahmen von Liebermann und seiner Familie aus den Jahren 1905 bis 1932

 24.03.2023

NS-Geschichte

»Flashes of Memory« im Land der Täter

Im Berliner Museum für Fotografie wird eine Ausstellung mit Holocaust-Bildern aus der Sammlung Yad Vashems gezeigt

von Imanuel Marcus  23.03.2023

Medizin

»Wir sind Weltmeister im Operieren«

Der Orthopäde Martin Marianowicz fordert ein Umdenken bei der Behandlung von Rückenschmerzen

von Lilly Wolter  23.03.2023

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  23.03.2023