Artur Brauner

Eine Gala mit Charme und Chuzpe

Normalerweise feiern die Berliner lieber cool als herzlich, doch auf der Gala zu Artur Brauners 100. Geburtstag gab es Küsse und Umarmungen im Überfluss. Im Berliner Zoo Palast kamen am Samstagabend das Who’s Who des deutschen Filmgeschäfts, Familie und Freunde zusammen, um den einzigartigen Filmproduzenten und seine einzigartige Karriere zu feiern.

Mario Adorf verzichtete auf die eigene Party zum 88., um mit Brauner zu feiern, Armin Mueller-Stahl zollte seinen Respekt, ebenso Klaus Maria Brandauer, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff und so viele mehr. 700 Gäste waren geladen.

revue Durch den Abend führten mit einer unterhaltsamen Mischung aus Charme und Chuzpe Brauners Enkel Ben und David, die zunächst erklärten, dass sie Brauners »wichtigstes Kriterium erfüllten: Uns gibt es umsonst«, um dann eine Reihe Revuegirls antanzen zu lassen: »Opa, das war nur für dich!«, den »letzten Tycoon Deutschlands«. Das alles jedoch nicht ohne den Hinweis, dass der Abend keine übliche Auf-dem-Tisch-Tanz-Party werde, der Schmerz über den Tod von Großmutter Maria im August 2017 sei einfach zu groß.

Die berührendste Rede des Abends hielt Grütters, die Brauners »heißes Herz, wachen Geist und eiserne Disziplin« bestaunte, mit denen er in sieben Jahrzehnten mehr als 250 Filme realisiert und mit Werken wie Mädchen in Uniform, Die Ratten, Es geschah am hellichten Tag das Nachkriegskino Deutschlands geprägt habe.

»Ich habe mein Leben retten dürfen, damit ich etwas bewirke«, zitierte die Ministerin den 100-Jährigen, der mit den Einnahmen aus erfolgreichen Unterhaltungsfilmen regelmäßig Filme über die Schoa produzierte, »die Maßstäbe in der filmischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust gesetzt und die Deutschen mit ihrer Verantwortung für das unermessliche Leid der Opfer konfrontiert haben«, so Grütters.

imperium Der bekannteste davon ist Hitlerjunge Salomon, dessen Vorbild das reale Schicksal von Sally Perel ist. Auch der war gekommen und wurde – wie immer wieder der Jubilar selbst – mit Standing Ovations geehrt. Auch Brauner hat die Schoa nur knapp überlebt und gleich nach dem Krieg ausgerechnet in Deutschland, mitten in Berlin, aus dem Nichts ein Filmimperium aufgebaut. Er hat Fritz Lang aus Hollywood zurückgeholt, den ersten Film von Klaus Kinski und den letzten von Romy Schneider produziert.

»Er versteht nicht, wie man auf einem Stuhl sitzen kann, ohne zu arbeiten«, so Grütters über den Mann, der bis heute Drehbücher liest und Tochter Alice berät, die seit 2015 seine CCC-Studios leitet, wo große Teile der ersten deutschen Netflix-Serie Dark entstanden sind.

Neben einer weiteren Laudatio von Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner und der Verleihung der Ehrenmedaille der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft ist es wohl die erstmals auf großer Leinwand gezeigte Dokumentation Der Unerschrockene, die den Menschen im Saal im Kopf bleiben wird.

Nach 58 Minuten Biografie und Interviews ist auch dem letzten Zuschauer klar, dass Artur Brauners Leben großes Kino ist. Fehlt nur noch ein Produzent.

Meinung

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Fall Samir

Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024

KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Die Zeitung »Welt« hat gefragt, wie man Jugendliche an die Thematik heranführen sollte

 21.04.2024

Memoir

Überlebenskampf und Neuanfang

Von Berlin über Sibirien, Teheran und Tel Aviv nach England: Der Journalist Daniel Finkelstein erzählt die Geschichte seiner Familie

von Alexander Kluy  21.04.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Nur nicht selbst beteiligen oder Tipps für den Mietwagen in Israel

von Ayala Goldmann  20.04.2024

Frankfurt am Main

Bildungsstätte Anne Frank zeigt Chancen und Risiken von KI

Mit einem neuen Sammelband will sich die Institution gegen Diskriminierung im digitalen Raum stellen

von Greta Hüllmann  19.04.2024