Theater

Ein Raum voller Leben

»Felix’s Room« von Adam Ganz und ScanLAB Projects Foto: Moritz Haase

Im Garten des Berliner Ensembles drängelten sich am Mittwochabend die Premierengäste der Uraufführung von Felix’s Room vor dem schmalen Eingang zur Probebühne. Der Grundgedanke, der dem Theaterevent in der zweiten Etage zugrunde liegt, ist der Tatsache geschuldet, dass es kaum mehr Schoa-Überlebende gibt, die aus persönlicher Erfahrung Zeugnis ablegen können.

Schon lange überlegen Künstler, wie es ihnen mit ihrer Arbeit gelingen möge, dass der Holocaust nicht nur als rein historisches Faktum in Erinnerung bleibt. Steven Spielbergs »Shoa Foundation« spielt da seit ihrer Gründung im Jahr 1994 eine bedeutende Rolle. Mehr als 50.000 Interviews mit Überlebenden wurden filmisch aufgezeichnet, katalogisiert und archiviert.

Auch das Theater ist neben dem Medium Film schon lange wichtig, um die Erinnerung wachzuhalten. Die moldauische Regisseurin Nicoleta Esinencu etwa hatte mit Clear History ein aus dokumentarischen Elementen zusammengesetztes Stück über den Holocaust im Gebiet des heutigen Moldau auf die Bühne gebracht.

URGROSSVATER Auf der Probebühne des Berliner Ensembles unternimmt nun der britische Autor und Bühnenkünstler Adam Ganz eine sehr persönliche Annäherung an die Schoa. Sein Urgroßvater Felix Ganz, einst ein erfolgreicher Teppichhändler in Mainz (mit einer Filiale am Berliner Kurfürstendamm) stand als Zeitzeuge nicht zur Verfügung. Wie auch seine Frau Erna wurde er zunächst nach Theresienstadt und dann nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Als die Deportation unmittelbar bevorsteht, teilt Adam Ganz dem betroffenen Publikum mit, dass hier die Rückschau endet.

Auf der zum Theaterraum umfunktionierten Probebühne aber taucht er – wenngleich in Person des eindrucksvoll spielenden Veit Schubert– in seinem früheren Leben wieder auf. Das ScanLab, ein auf virtuelle Effekte spezialisiertes Technik-Team, macht es möglich. Diese Theaterform, in welcher mittels Hologrammen selbst einstige Geschäftsreisen ins Berlin der 1920er Jahre oder nach Konstantinopel möglich sind, lassen die in der Schoa zerstörte Existenz wiederaufleben.

TISCH Die Zuschauer erleben aber auch noch einmal die Hoffnungen und Sehnsüchte des bedrohten jüdischen Kaufmanns und Familienvaters. An einem Tisch neben der Bühne sitzt dessen realer Urenkel, der all das ausgegraben, aufgeschrieben und inszeniert hat.

Doch als die Deportation unmittelbar bevorsteht, teilt Adam Ganz dem betroffenen Publikum mit, dass hier die Rückschau endet. Er weigert sich, das, was danach kommt, für die Bühne zu inszenieren. Das Ganze ist eine bescheidene, auch liebenswerte, deshalb aber nicht weniger wirksame Form, mit den Mitteln des Theaters individuelle Opfer der Schoa für einen kleinen Moment ins Leben zurückzuholen.

Die Vorstellungen finden allabendlich bis einschließlich 9. Juli jeweils um 20.30 Uhr statt. Der Eintritt ist frei. Kostenlose Tickets sind über die Theaterkasse oder den Webshop zu erhalten.

Glosse

Der Rest der Welt

Tassen, Leggings, Mähnen: Auf der Suche nach dem Einhorn

von Nicole Dreyfus  14.05.2025

Zahl der Woche

30 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 14.05.2025

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 14.05.2025

Mythos

Forscher widerlegen Spekulation über Olympia-Attentat 1972

Neue Recherchen widersprechen einer landläufigen Annahme zum Münchner Olympia-Attentat: Demnach verfolgten die Terroristen die Geschehnisse nicht am Fernseher. Woher die falsche Erzählung stammen könnte

von Hannah Krewer  14.05.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 15. Mai bis zum 22. Mai

 14.05.2025

TV-Tipp

Arte zeigt Porträt des kanadischen Sängers Leonard Cohen

Es ist wohl das bekannteste Lied des kanadischen Sängers Leonard Cohen. Und so steht »Hallelujah« auch im Zentrum eines ebenso unterhaltsamen wie inspirierenden Porträts über diesen modernen Minnesänger

 14.05.2025

Eurovision Song Contest

Boykottaufrufe gegen Israel »erschreckend und abstoßend«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer weist Forderungen nach einem Ausschluss der israelischen Sängerin Yuval Raphael zurück

 14.05.2025

Schweiz

Das Leben feiern

In diesem Jahr findet der ESC in Basel statt. Israel ist seit 1973 vertreten – ein persönlicher Rückblick

von Jan Feddersen  14.05.2025

JFBB

Die bessere Berlinale

Das 31. Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg sorgte für eine scharfe Kontroverse, aber vor allem für Dialog und gutes Kino

von Ayala Goldmann  13.05.2025