Philosophie

»Dynamischer Pluralist«

Christoph Schulte, Professor für Jüdische Studien und Philosophie an der Universität Potsdam, hat am Mittwochnachmittag seine Abschiedsvorlesung gehalten. Die Laudatio bei der Festveranstaltung hielt Cedric Cohen-Skalli, Leiter des Bucerius Institute for Research of Contemporary German History and Society an der Universität Haifa, der dort moderne jüdische Philosophie unterrichtet.

Cohen-Skalli, der aus Israel nach Potsdam angereist war, würdigte Schulte als Vertreter eines »dynamischen Pluralismus«. Diesen Geist habe Schulte durch seine Beschäftigung mit jüdischer Geistesgeschichte wieder in die deutsche Gesellschaft zurückgebracht. Profitiert vom dynamischen Pluralismus, der Leben und Bedeutung stifte, habe aber auch das Judentum in der Diaspora und Israel.

Gastaufenthalt in Haifa: »Er kam, um seine Freunde zu unterstützen«

Er sei Schulte für seinen mehrwöchigen Gastaufenthalt im März 2024 an der Universität Haifa sehr dankbar, sagte Cohen-Skalli: »Es war eine mutige Entscheidung, nach Haifa zu kommen, und es war typisch für Christoph. Er kam, um seine Freunde zu unterstützen, aber uns auch zu sagen, was von seinem Standpunkt aus in Israel falsch läuft. Diese Aufrichtigkeit hat seine Unterstützung nicht gemindert.« Der Wissenschaftler habe sich nicht gescheut, seinen Freunden zu sagen, worüber er sich in der israelischen Politik Sorgen mache.

In seiner Abschiedsvorlesung sprach Schulte, unter anderem Autor der Bücher Zimzum. Gott und Weltursprung und Die jüdische Aufklärung: Philosophie, Religion, Geschichte über das Thema »Von der Gotteserkenntnis zur Gotteserfahrung – Die Kabbala zwischen Philosophie und Mystik von Kant bis Scholem«.

Abschließend sagte er: »Es gibt im Judentum Zeugnisse mystischer Gotteserfahrung ganz ohne Kabbala, und umgekehrt beschäftigen sich längst nicht alle kabbalistischen Texte mit mystischen Gotteserfahrungen. Es gibt Kabbala ohne Mystik, und Mystik ohne Kabbala. Aber diese neue wissenschaftliche Einsicht macht die grundsätzliche weltanschauliche, religiöse und epistemologische Weichenstellung der Romantik, den Übergang von der allgemeinen philosophischen Gotteserkenntnis zur individuellen mystischen Gotteserfahrung, nicht rückgängig. In der Wissenschaft des Judentums und in den Jüdischen Studien heute tritt darum die Kabbala-Forschung gleichberechtigt und erfolgreich an die Seite der religionsphilosophischen Forschung.«

Wenn heute in Kreisen des zeitgenössischen Judentums Kabbala und Mystik als Kern der jüdischen Religion empfunden werden, sei dort »auch innerreligiös die mystische Gotteserfahrung zur höchsten Form der Gottesliebe aufgerückt und hat die Gotteserkenntnis ersetzt. Gottesliebe indes bleibt die wichtigste Mizwa.« ag

Lesen Sie mehr in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Rezension

Ein Feel-Good-Film voller kleiner Wunder

Ein Junge, der nicht laufen kann, Ärzte, die aufgeben, eine Mutter, die unbeirrt kämpft. »Mit Liebe und Chansons« erzählt mit Herz und Humor, wie Liebe jede Prognose überwindet

 27.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  27.11.2025

Kino

Echte Zumutung

Ronan Day-Lewis drehte mit seinem Vater Daniel als Hauptfigur. Ein bemühtes Regiedebüt über Gewalt und Missbrauch

von Maria Ossowski  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Ausmalen gegen die Realität

Kinderbücher sollten nicht dazu instrumentalisiert werden, Kinder niederschwellig zu prägen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Hommage

Pionier des Erinnerns

Der Filmemacher und Journalist Claude Lanzmann wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Unser Autor ist ihm mehrmals persönlich begegnet

von Vincent von Wroblewsky  26.11.2025

Zahl der Woche

6500 Rabbiner

Funfacts & Wissenswertes

 26.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Coole Nichten, coole Tanten

von Katrin Richter  26.11.2025

Kulturkolumne

Lob der Anwesenheit

Lahav Shani und Jason Stanley: Warum unser Autor nicht nur in der Westend-Synagoge vor Ort ist

von Eugen El  26.11.2025