Sprachgeschichte(n)

Dingsbums und Ploni Almoni

»Platzhalternamen« wählen wir, wenn uns der Ausdruck für eine Sache, einen Ort, eine Zeit oder einen Menschen nicht einfällt oder wir ihn bewusst unklar halten wollen. Objekte heißen dann Dingsbums, Orte Dingenskirchen, der neue Nachbar Herr So-und-so, weit Zurückliegendes wird auf anno Tobak datiert.

»Der Sach« Wenn der kanadische Komiker David Steinberg etwas suchte, zitierte er stets seinen Vater: »Im Jiddischen nannten wir es immer ›der Sach‹.« Im Jüdischdeutschen hießen Menschen, die man nicht schätzte, »Chawerlappes« (aus dem hebräischen chawer = Genosse und dem mittelhochdeutschen Lappe = Bösewicht).

Gelichter und unnützes Zeug waren »nix als Zorwechór«, was Abraham Tendlau in seinen Jüdischen Sprichwörtern und Redensarten (1860) auf die Namen der midianitischen Könige Zur und Chur (4. Buch Moses 31,8) zurückführte. Der Spruch »Das is e Erev-rav!« für Pöbel bezog sich auf das Menschengewimmel nichtjüdischer Herkunft, das mit Israel aus der Unterdrückung in Ägypten zog (2. Buch Moses 12,38).

Bis heute nennt man gemeines Volk »Krethi und Plethi«. Die Süddeutsche Zeitung etwa schrieb neulich, viele Gruppenreisende schrecke, »den Urlaub mit Krethi und Plethi zu verbringen«. Die Krethi waren die Söldnertruppe, die in Krisenzeiten unter dem Heereskommandanten Benaja zu David hielt und seine Leibwache bildete (2. Sam 15, 18; 20,7). Beim Propheten Zephania (2,5) sind sie das »Volk«, die Plethi dürften eine schlichte Anreimung sein.

»Moishe Sagmir« Der deutsche Durchschnittsbürger ist »Otto Normalverbraucher«. Gert Fröbe hat die vom Kabarettisten Günter Neumann erdachte Figur des heimkehrenden Soldaten, der sich in der zerbombten Stadt arrangierte, 1948 in dem Film Berliner Ballade populär gemacht. Otto Normalver- brauchers jiddischer Cousin war »Chaim Yankel« oder »Moishe Sagmir«.

Das weibliche Pendant heißt Lieschen Müller, nach dem Film Der Traum von Lieschen Müller (1961), und ist der »Inbegriff seichter, kritikloser, zu Rührseligkeit neigender Kunstauffassung«, die »Durchschnittsbürgerin mit solchem Kunstgeschmack«, schreibt Heinz Küpper im Wörterbuch der deutschen Umgangssprache.

Amtlich firmieren Otto und Lieschen seit 1987 auf den Mustervorlagen für Personalausweise als »Max«, beziehungsweise »Erika Mustermann«. Auf Mustersendungen nach Israel nennt der Paketdienst DHL als Empfänger »Ploni Almoni«.

Den kennt im jüdischen Staat jeder. »Der hebräische Terminus«, erläutert Jonathan Magonet in seinem Buch Schöne – Heldinnen – Narren (1996), »ist ein Begriff, der in Übereinstimmung mit seiner biblischen Verwendung (zum Beispiel in 1. Sam 21,3, wo er ›der eine oder andere‹ heißt) in den rabbinischen Quellen als Platzhalter gebräuchlich wurde, wann immer es galt, Anonymität zu wahren; er ist etwa gleichbedeutend mit ›Herr Müller‹«.

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  16.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  16.11.2025

TV-Tipp

»Unser jüdischer James Bond«

Die Arte-Doku »Der Jahrhundert-Spion« erzählt die schillernde Lebensgeschichte des Ex-CIA-Agenten Peter Sichel, der seinerzeit den Ausbruch des Kalten Kriegs beschleunigte

von Manfred Riepe  16.11.2025

Aufgegabelt

Noahs Eintopf

Rezepte und Leckeres

 16.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025