Auktion

Die Welt von gestern

Er ist ein Jahrhundertmensch, und niemand sonst findet das wohl so abwegig wie er selbst. Seitdem die Nazis Georg Stefan Troller mit 16 aus seiner Heimatstadt Wien vertrieben haben, ist der begnadete Autor und Filmemacher auf der Suche nach dem fußballspielenden, Gedichte schreibenden Schorschi, der er plötzlich nicht mehr sein durfte.

Er hat es zu seinem Beruf gemacht, Menschen danach zu fragen, wieso das alles überhaupt möglich war und ist. Und irgendwann wurde aus »Wie überlebt man?« die Frage »Wie lebt man richtig?«.

RÜCKKEHR Nur knapp ist Troller der Schoa entkommen, floh vor dem Heimweh in New York, indem er als Gefangenenvernehmer der US-Armee nach Europa zurückkehrte, wo die Nazis und deren willige Helfer einen Großteil seiner Familie ermordet hatten. Nur wenige Tage nach der Befreiung stand er in Dachau.

In Paris fand Troller nach der Schoa ein neues Zuhause, wenn auch keine Heimat.

In Paris fand er schließlich ein neues Zuhause, wenn auch keine Heimat. Die nahm er sich zurück in Form der deutschen Sprache, mittels derer der junge Mann mal eben den Journalismus revolutionierte. Weg von der vermeintlich neutralen Distanz hin zur persönlichen Frage, die auf dem Boden der Seele nach Wahrheit fischt.

Zwischen seinen eigenen TV-Formaten im ZDF, »Pariser Journal« und »Personenbeschreibung«, zwischen Edith Piaf, Charles Bukowski und Roman Polanski lernte er wieder zu lachen. Troller sagt, bis zu 1500 Interviews seien es am Ende gewesen. Jüngst unvergesslich sein TV-Porträt von Loki Schmidt aus dem Jahr 2003, mit Fragen, die niemand je zu fragen wagte. Und Bücher schreibt er, mittlerweile jedes Jahr eins.

SCHNAPPSCHÜSSE Und nun ist er auch noch Fotograf. Die Überraschung mit 97 Jahren ist gerade in der Galerie Grisebach in Berlin zu bewundern: Fotos vom Paris der 1950er-Jahre, schwarz-weiße Preziosen, Schnappschüsse von einer Welt, die es nicht mehr gibt, die Troller machte, als er im Nachkriegs-Europa dem eigenen verschwunden Leben nachspürte.

Es gibt einen besonderen Grund für die Zärtlichkeit und Sehnsucht seiner Bilder, aber auch für den geraden, schonungslosen Blick.

Das erklärt die Zärtlichkeit und Sehnsucht, aber auch den geraden, schonungslosen Blick, die den Aufnahmen eigen sind: Bilder von hoffnungsvollen Kindergesichtern im Grau der zerstörten Stadt, von maskierten Jahrmarkts-Freaks, von alten Gemäuern, die auf den Abriss warten, und von Männern, die eine Leiche aus der Seine bergen: »eine schrecklich-schöne, verkommene aber heimelige Märchenwelt«, wie Troller im dazugehörigen Buch Ein Traum von Paris (Corso Verlag) schreibt.

»Ein für mich längst abgelebter, aber doch unvergessener, durcheinandergewürfelter Teil meines inneren Daseins.« Und aus der Vereinigung von Bildern und der geliebten Sprache wurden Beruf und Berufung. Trollers durchdringende Stimme im Off ist allen unvergessen, die sie je gehört haben.

AUFBRUCH Er selbst hatte die Bilder übrigens längst vergessen, verloren geglaubt bei Umzügen und Aufbrüchen. Doch Tochter Fenn fand sie beim Ausmisten. Und öffnete ein weiteres Fenster ins unglaubliche Leben des Georg Stefan Troller.

Und, wie lebt man richtig, Herr Troller? »Liebe ist das ganze Geheimnis.«

Auktion in der Galerie Grisebach, 29. Mai, Berlin

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 03.07.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  03.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  03.07.2025

Sehen!

»Hot Milk«

Die Mutter-Tochter-Geschichte unter der Regie von Rebecca Lenkie­wicz ist eine Adaption des Romans von Deborah Levy

von Anke Sterneborg  03.07.2025

Aufgegabelt

Iced Tahini Latte

Rezepte und Leckeres

 02.07.2025

Essay

Wenn der Wutanfall kommt

Kleine Kinder können herausfordern. Was macht das mit Eltern? Reflexionen einer Mutter

von Nicole Dreyfus  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 3. Juli bis zum 10. Juli

 02.07.2025