Antisemitismus

Die Protokolle des Weisen von Oslo

Glaubt an Verschwörung: Johan Galtung Foto: dpa

Antisemitismus

Die Protokolle des Weisen von Oslo

Der Friedensforscher Johan Galtung wurde in der Schweiz als Dozent suspendiert

von Martin Krauss  28.08.2012 09:17 Uhr

Er ist zweifach promoviert, besitzt neun Ehrendoktortitel, ist Träger des Alternativen Nobelpreises, und es dürfte keinen Soziologiestudenten geben, der ihn nicht kennt: der Norweger Johan Galtung, 81, Begründer der Friedens- und Konfliktforschung.

Doch nun hat sich die World Peace Academy (WPA) in der Schweiz, die mit der Universität Basel zusammenarbeitet, von Galtung getrennt – wegen »unsorgfältiger und verletzender Äußerungen zu Fragen, die speziell für Juden sensibel sind«, wie es in einer Mitteilung heißt.

Galtung soll gesagt haben, es sei möglich, dass der Mossad den norwegischen Attentäter Anders Breivik geführt habe. So berichtete es Ende 2011 das norwegische Onlineportal humanist.no, wo Galtung auch gleich einen Antwortartikel schrieb. Der israelischen Tageszeitung Haaretz gab Galtung Ende April ein E-Mail-Interview. Dort sagte er, der Massenmörder Breivik habe zu einer Freimaurerloge Kontakt, »die jüdische Wurzeln hat«. In dem erwähnten Antwortartikel Galtungs auf der Website humanist.no schreibt der Solzialwissenschaftler, es könne ja wohl kaum ein Zufall sein, dass Breiviks Tat an einem 22. Juli stattfand – so wie 1946 der Anschlag der jüdischen Untergrundgruppe Etzel auf das King-David-Hotel in Jerusalem.

Auschwitz In Haaretz wurden außerdem Galtungs Worte wiedergegeben, dass Auschwitz zwar sehr schlimm gewesen sei, aber es sei auch »nicht unproblematisch« gewesen, »dass Juden damals Schlüsselpositionen in der Gesellschaft innehatten, die durch die Niederlage von Versailles gedemütigt wurde«. Die Zeitung zitierte Galtung auch mit dem Satz, man könne die Protokolle der Weisen von Zion nicht lesen, ohne »an Goldman Sachs zu denken«, jene Investmentbank, die weltweit mit Wertpapieren und Hedgefonds handelt.

Ferner schrieb Galtung auf humanist.no: »Juden gehören 96 Prozent der US-Medien.« Im März 2012 veröffentlichte Galtung auf der Website seines »Transcend«-Instituts Thesen zum Syrien-Konflikt. Da heißt es zum Thema einer möglichen humanitären Intervention des Westens: »Die USA möchten, was Israel möchte.«

Ganz neu sind Antisemitismusvorwürfe gegen Galtung nicht. Schon im Januar 1987 hatte die deutsche Zeitschrift »links« unter der Überschrift »SDI als jüdische Weltverschwörung« Galtung angegriffen. Er hatte das damals umstrittene militärische Weltraumprojekt der USA als »Technik des Alten Testaments« gedeutet; die Raketen wirkten wie der »Finger Gottes«, und 70 Prozent der an SDI beteiligten Wissenschaftler seien Juden.

Druck Zu einem Telefoninterview war der Friedensforscher laut Aussage seines Büros nicht bereit, nur in einem persönlichen Hintergrundgespräch wolle er alles erklären. In einem Schreiben an die World Peace Academy kommentiert er seine Suspendierung so: »Ich bin in keiner Weise antisemitisch, bin es nie gewesen und werde es nie sein. Dies ist eine Konstruktion einiger Medien.«

Unterdessen werfen Unterstützer Galtungs wie Dietrich Fischer, scheidender Akademischer Direktor der WPA, dem Friedensforschungsinstitut vor, nur auf »furchtbaren, ungerechten Druck gewisser Organisationen« gehandelt zu haben, als es Galtung suspendierte.

Der Schweizerische Israelische Gemeindebund (SIG) hatte die WPA gebeten, sich von Galtung zu trennen. SIG-Vertreter Patrick Studer erklärte: »Es gibt keine Zweifel, dass Galtungs umstrittene Thesen zum Holocaust und über Juden antisemitisch sind.« Er selbst, so Studer in der Zeitung »Tageswoche«, habe sich Galtungs Vorträge angehört, da habe er seine Aussagen »eins zu eins« wiederholt. Galtung, so ist nun zu hören, will mit WPA-Dozenten und Studenten eine neue Friedensakademie gründen.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Juni bis zum 26. Juni

 18.06.2025

Berlin

Erste Ausstellung über den Architekten Ossip Klarwein

Präsentiert werden mehr als 100 Entwürfe und Modelle, darunter ikonische Bauten des 1933 nach Palästina geflohenen jüdischen Architekten

 17.06.2025

Nachruf

Chronist einer ganzen Epoche

Michel Bergmann war ein Schriftsteller, der viele Genres beherrschte

von Ellen Presser  17.06.2025

Los Angeles

Neues Album von Haim: »Manchmal muss man loslassen«

Auf ihrem vierten Album singen die Haim-Schwestern von Trennung, Abschied und Neuanfang. Dabei betritt das Trio mit beinahe jedem Song ein anderes musikalisches Terrain

von Philip Dethlefs  17.06.2025

Diskurs

»Die Erinnerungsrepublik Deutschland ist zu Ende«

Auszüge aus der Heidelberger Hochschulrede des Grünen-Politikers Sergey Lagodinsky

 16.06.2025

Literatur

Michel Bergmann ist tot

Der jüdische Schriftsteller starb im Alter von 80 Jahren

 17.06.2025 Aktualisiert

Taormina Film Fest

Michael Douglas entschuldigt sich für Politik der US-Regierung

Der Darsteller erhält von Iris Knobloch eine Ehrung für sein Lebenswerk. Die Vergabezeremonie in Sizilien nutzt er für Kritik an seinem Land

 16.06.2025

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025