Kino

Eine Freundschaft fürs Leben

Szene aus »Polanski, Horowitz. Hometown«: Roman Polanski (l.) und Ryszard Horowitz Foto: imago images/NurPhoto

Mehr als 70 Jahre nach der Schoa sind der berühmte Filmregisseur Roman Polanski und sein nicht minder berühmter Freund, der Fotograf Ryszard Horowitz, vor einiger Zeit wieder nach Krakau gekommen. Hier hatten sie sich im Ghetto während der deutschen Besatzung kennengelernt.

Die Eltern des kleinen Ryszard, so erzählt es Roman Polanski in dem neuen und in Polen zurzeit viel diskutierten Dokumentarfilm Polanski, Horowitz. Hometown hatten damals alles in Bewegung gesetzt, um ihrem Sohn zu dessen drittem Geburtstag eine echte heiße Schokolade kredenzen zu können. Der aber habe nur einen Schluck genommen, das Gesicht verzogen und den Kopf geschüttelt. Und so sei der damals achtjährige Roman in den Genuss des im Ghetto so raren Kakaos gekommen. Trotz des Altersunterschieds wurden die beiden bald enge Freunde.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Weltpremiere hat die Doku der beiden Regie-Debütanten Mateusz Kudla und Anna Kokoszka-Romer nun hinter sich. Vor Kurzem eröffnete sie das 61. Krakauer Filmfestival. Alle Vorführungen über diese jüdische Kinderfreundschaft, die das Krakauer Ghetto bis heute überdauerte, die kommunistische Nachkriegszeit in Polen und viele Jahrzehnte auf verschiedenen Kontinenten, waren restlos ausgebucht.

publikumspreis Am Festivalende gewann der Film den begehrten Publikumspreis. Jetzt warten die Cineasten in ganz Polen schon ungeduldig auf den regulären Kinostart des Dokumentarfilms, der auch in Deutschland in die Kinos kommen wird. (Coronabedingt steht der Starttermin noch nicht fest.)

Das Besondere an diesem Film ist nicht das Neue oder gar Sensationelle, sondern ganz im Gegenteil die historische Zeitreise von Regisseur Polanski (87) und Fotograf Horowitz (82) an Originalschauplätze – das Krakauer Ghetto, das KZ Krakau-Plaszow, die Emaille-Fabrik von Oskar Schindler, das KZ Auschwitz und das Dorf Wysoka bei Krakau.

Auch wenn manche Szenen auf den einen oder anderen Zuschauer mitunter etwas überinszeniert wirken könnten, ziehen die unterschiedlichen Charaktere die Zuschauer immer wieder in ihren Bann: Polanski quirlig, sehr direkt und oft provokativ witzig, Horowitz eher ruhig, nachdenklich und introvertiert. Horowitz kommentiert oft historische Bilder aus dem Off, während Polanski im Hier und Jetzt dominiert.

erinnerungen »Wo beginnen deine ersten Erinnerungen? Im Ghetto oder im Konzen­trationslager?«, fragt Polanski unvermittelt seinen Freund und bringt ihn dazu, den Hemdsärmel hochzukrempeln. Da ist sie dann – die Nummer, die die Deutschen in Auschwitz auch kleinen Kindern eintätowierten. Horowitz überlebte den Holocaust – als eines der Kinder, das auf Schindlers Liste stand, dann doch nach Auschwitz deportiert, aber schon bald befreit wurde.

Die meisten Kritiker in Polen loben den Film, sie beeindruckt die Art und Weise, wie die beiden sich an ihre ganz besonderen Lebensgeschichten und an ihr Schicksal in Krakau erinnern.

Polanski überlebte, weil sein Vater rechtzeitig katholische Bekannte um Kost und Logis für seinen Sohn gebeten und ihnen Geld dafür bezahlt hatte. Kurz nach der Deportation seiner hochschwangeren Mutter nach Auschwitz gelang dem kleinen Roman die Flucht aus dem Krakauer Ghetto. Die Bekannten seines Vaters brachten ihn bei einer armen Bauernfamilie im Dorf Wysoka unter, wo er fast zwei Jahre lang blieb. Polanskis Vater aber wurde nach Mauthausen deportiert, überlebte und kehrte nach Krakau zurück.

Die meisten Kritiker in Polen loben den Film, sie beeindruckt die Art und Weise, wie die beiden sich an ihre ganz besonderen Lebensgeschichten und an ihr Schicksal in Krakau erinnern und die Zeitgenossen daran teilhaben lassen. Manch ein Journalist bemängelt zwar, dass die Freunde im Film nicht auch über Roman Polanskis Vergehen in den USA sprechen, doch sie vergessen dabei, dass es im Dokumentarfilm Polanski, Horowitz. Hometown ausschließlich um Kindheits- und Jugenderinnerungen im Ghetto, Konzentrationslager und der unmittelbaren Nachkriegszeit geht.

Andere Filme haben andere Aspekte im Leben des Roman Polanski schon zur Genüge erzählt. Diese Geschichte endet in dem Moment, wo die beiden Freunde Polen für immer verließen.

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025