Sprachgeschicht(en)

Die geheimnisvolle Chonte

Als die Chonten Girls hießen: Aquarell von Ludwig Ehrenberger 1922 Foto: dpa

Sprachgeschicht(en)

Die geheimnisvolle Chonte

Woher das jiddische Wort für »Hure« stammt, darüber streiten die Experten

von Christoph Gutknecht  02.09.2014 08:45 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

In Karl Kraus’ Zeitschrift Die Fackel las man 1930 den Stoßseufzer: »Bessere Zeiten werden erst kommen, wenn man statt Weekend wieder Schabbes sagen wird und statt Girl wieder Chonte.«

Das Wort »Chonte« sucht man heute vergeblich in Nachschlagewerken. Allein Heinz Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache (1990) gibt den Hinweis: »(jüdische) Prostituierte; fußt auf der gleichbedeutenden und gleichlautenden jiddischen Vokabel«. Peter Wehle nannte in Die Wiener Gaunersprache (1977) »Chonte« (mit der Variante »Chunne«) eines jener »immer seltener werdenden Rotwelschwörter«, wobei »nur die Älteren noch Chonte sagen, die Jüngeren den ihnen ungewohnten Anlaut Ch durch ein K ersetzen«.

In der antisemitisch gefärbten Untersuchung A. F. Thieles Die jüdischen Gauner in Deutschland, ihre Taktik, ihre Eigentümlichkeiten und ihre Sprache von 1840 wird Chonte als »Hure, Beischläferin, Zuhälterin« übersetzt. Dort findet sich auch das Wort »Chontebajes« (Hurenhaus). Salcia Landmanns Jiddisch – Abenteuer einer Sprache (1964) umschreibt das Wort als »Buhldirne« und ergänzt, wie I. Bernsteins Jüdische Sprichwörter und Redensarten (1907), es werde »meist in Deutschland gebraucht«. Auffällig ist, dass die Chonte in deutschen Dialekten, die jiddische Ausdrücke sonst gern entlehnten, nicht auftaucht – abgesehen vom mundartlich-hessischen »Chondelchen« für »leichtsinniges, leichtes Mädchen«.

spekulationen Unstrittig ist: Das Lexem »Chonte« entstammt dem Hebräischen. Doch da die genaue Abkunft dunkel ist, schossen etymologische Spekulationen ins Kraut. In der Schriftenreihe Anthropophyteia leitete ein Anonymus »F.P.« das Wort 1910 vom biblischen Eigennamen »Ham« (genauer »Cham«) her, dem Sohn Noahs, aus dem ersten Buch Mose 9,22 als schamlos bekannt, den er zum unzüchtigen Menschentyp schlechthin erhob und davon die feminine Form »Chonte« prägte. W. Weinberg (Die Reste des Jüdischdeutschen 1973) erwog Ableitungen von den hebräischen Wörtern »chânâ« (lagern), »chanut« (Laden), »chanat« (reifen), »chanan« (Gunst gewähren) oder vom jiddischen »bacheint« (anmutig).

Diese Erklärungen überzeugen den bekannten Jiddisten David L. Gold von der Universität Haifa nicht. In den Jewish Linguistic Studies (1989) diskutiert er drei andere Möglichkeiten: das jüdisch-aramäische »lecheynto« (die Konkubine); das zarfatische (= judäo-französische) »honte« (Scham/Schande) oder eine germanische Form, die mit dem englischen »cunt« (vulgär für Vagina) zusammenhängt.

Welche Herleitung des Wortes auch immer die richtige sein mag – die deutschjüdische Folklore verdankt ihm den schönen Schüttelreim: »Aus der Kammer lief die Chonte/weil der Chammer nicht mehr konnte.« Besagter Chammer geht übrigens zurück auf das seit dem biblischen Hebräisch belegte Substantiv »chemor« (Esel). Es wurde ins Jiddische entlehnt und nahm dort neben der Hauptbedeutung außerdem die metonymische Übertragung »dummer Mensch« an. Aber das ist eine andere Sprachgeschichte.

Fernsehen

»Die Fabelmans«: Steven Spielbergs Familiengeschichte als TV-Premiere

In »Die Fabelmans« erzählt der jüdische Star, wie er vom Film-begeisterten Sammy zu einem jungen Regisseur heranwuchs

von Rüdiger Suchsland  15.08.2025

Kino

»The Life of Chuck«: Das Universum zwischen unseren Ohren

Die Geschichte dieser tragisch-herzlichen jüdische Familie, diese grandiose Idee, das Leben von Chuck genau so zu erzählen, ist ein Geschenk!

 15.08.2025

Bonn

»Monk in Pieces«: Filmdoku über eine Meisterin der Klangsprache

Babysprache und Tierlaute: In den Werken der Musikerin Meredith Monk spielt Gesang, jedoch nicht der Text eine Rolle. Ein neuer Dokumentarfilm nähert sich der einzigartigen Künstlerin

von Michael Kienzl  14.08.2025

Aufgegabelt

Kalte Wassermelonen-Lollis

Rezepte und Leckeres

 14.08.2025

Kulturkolumne

Sehnsucht nach Youkali

Über einen Sommerabend mit Kurt Weill

von Sophie Albers Ben Chamo  14.08.2025

Kanada

Toronto Film Fest will Doku zum 7. Oktober nun doch zeigen

Das Festival hatte urheberrechtliche Bedenken, weil in »The Road Between Us: The Ultimate Rescue« Videoaufnahmen von Hamas-Terroristen gezeigt werden

 14.08.2025

Interview

»Mein Mann wacht lächelnd auf«

Lily Brett ist eine der renommiertesten Autorinnen der modernen Literatur. Ein Gespräch über nicht funktionierende Hypnose, gefälschte Entschuldigungszettel und die richtige Kommasetzung

von Katrin Richter  14.08.2025

Kino

Timothée Chalamet wird zum »Zauberer des Tischtennis«

In »Marty Supreme« verkörpert der amerikanisch-französische Darsteller Marty Reisman, einen schillernden Charakter der US-Tischtennisszene

von Imanuel Marcus  14.08.2025

Veranstaltungen

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 14. August bis zum 21. August

 13.08.2025