Meinung

Der Versuch, sich gegen Kritik zu immunisieren

Pro-BDS-Demo in Berlin (2018) Foto: imago

In der politischen Bildungsarbeit wie auch öffentlichen Diskussionen begegnet einem häufig die Abwehrstrategie, diese oder jene antisemitische Aussage könne gar nicht antisemitisch sein, weil man ja eine jüdische Freundin habe, die das ähnlich sehe. Vom Lehrer im Workshop, der Relativierungen der Schoa auf diese Weise verteidigt, bis hin zur Kabarettistin Lisa Eckhart, deren jüdische Freunde, wie sie behauptet, ihre Witze über Juden komisch fänden, müssen Juden des Öfteren herhalten, um den Antisemitismus der anderen zu verharmlosen.

DELEGITMIERUNG Seit dem Bundestagsbeschluss, der antiisraelischen Boykottbewegung BDS keine öffentlichen Räume und Gelder mehr zur Verfügung zu stellen, scheint die Kampagne vermehrt auf die Strategie zu setzen, jüdische Israelis als Fürsprecher vorzuschieben. Begeistert wurde von hiesigen »Israelkritikern« ein offener Brief 60 jüdischer Schriftsteller und Wissenschaftler aufgenommen, die diesen Beschluss ablehnten. Auch über eine Veranstaltung der »School of Unlearning Zionism« an der Kunsthochschule Weißensee, die nun aufgrund der Kritik an dem Programm ins Internet verlagert werden musste, begeisterte man sich plötzlich.

An der Kunsthochschule Weißensee wollten israelische Aktivisten die Delegitimierung und Dämonisierung des jüdischen Staats propagieren.

Während in Frankfurter Einkaufspassagen wieder mal »From the river to the sea« oder »Yallah Intifada« skandiert wird, sollte hier akademisch gepflegt die Delegitimierung und Dämonisierung Israels propagiert werden. Beworben wurde das Ganze als innerisraelische Selbstvergewisserung.

Für die nichtjüdischen deutschen Fans der BDS-Kampagne ist das ein Geschenk. Die jüdisch-israelische Identität der Sprecher soll auf wundersame Weise nicht nur sie selbst, sondern zugleich die ganze Kampagne gegen den Vorwurf des Antisemitismus immunisieren.

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Es ist das gleiche Kronzeugenargument, das auch die AfD mit ihrer marginalen Gruppe »Juden in der AfD« verfolgt. Über diese bemerkte der Journalist und Buchautor Ronen Steinke jüngst treffend: »Doch wenn die AfD-Chefs sich als Freunde der Juden inszenieren, dann schielen sie auch nicht ernsthaft auf diese winzige Wählerschaft. Vielmehr spricht die AfD eine Gruppe von potenziellen nichtjüdischen Wählern an, die hundertmal größer ist.«

Die Handlungen und Ziele der BDS-Kampagne sind und bleiben antisemitisch – auch wenn ihre Anhänger jüdisch sind.

SIGNAL Jüdische Unterstützung für BDS signalisiert vor allem jenen Menschen eine angebliche Unbedenklichkeit, die die Kampagne hauptsächlich tragen, nämlich nichtjüdische Akteure einer Linken, denen die globalen Konfliktlagen offenkundig zu kompliziert geworden sind.

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Darauf zu antworten, Antisemitismus könne selbstverständlich, wie auch Rassismus oder Sexismus, auch von Betroffenen internalisiert werden, geht bereits der Logik der Abwehr auf den Leim. Antisemitismus soll hier subjektiviert, auf die Frage von Standpunkten reduziert werden.

Die BDS-Kampagne ist jedoch unabhängig von den persönlichen Motivationen und Projektionen ihrer Anhänger oder Kritiker antisemitisch. Wenn sich Juden finden, die BDS für arglos halten, ändert das nichts am Ziel der Kampagne, über Umwege die Vernichtung Israels als jüdischem Staat zu fordern.

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Auch der Verweis auf den deutschen Täterkomplex taugt nicht, die Kritik an BDS zu unterminieren. Auf ihrer Facebook-Seite fragt die »School of Unlearning Zionism« in Reaktion auf den Entzug der Räumlichkeiten: »So how does Germany likes its Jews? Disciplined and obedient.« Bei Zustimmungswerten von um die 40 Prozent zu israelbezogenem Antisemitismus wird behauptet, der Entzug öffentlicher Förderung komme einer »Disziplinierung« von Juden gleich. Die Kritik gilt aber nicht linken Israelis, sondern einer antisemitischen Kampagne mitten in Berlin – die schon gar nicht mit Steuergeldern gefördert werde sollte.

Der Autor ist Mitarbeiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt.

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