Frankfurt

Der Strafraum ist markiert

»Für mich war es das Normalste«, sagt Mohamed El Allaoui. Für seinen Wechsel zu Makkabi musste sich der 2002 geborene Fußballer jedoch oft rechtfertigen. Wie er bloß als Muslim bei den Juden spielen könne, wurde er zum Beispiel gefragt.

Seine Erfahrungen mit antisemitischen Ressentiments schilderte El Allaoui neben anderen Betroffenen am Eröffnungsabend der Fachtagung »Strafraum«. Die dreitägige Konferenz zur »(Un-)Sichtbarkeit von Antisemitismus im Fußball« fand vergangene Woche im Frankfurter Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum statt. Sie wurde von der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Kooperation mit dem Makkabi-Projekt »Zusammen1 – Für das, was uns verbindet« ausgerichtet.

INTEGRATION Das Verbindende betonte in seinem Grußwort auch Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland: »Wir glauben, dass der Sport wie kein anderer geeignet ist, Vorurteile abzubauen.« Makkabi habe sich bewusst zu einem offenen und integrativen Sportverein entwickelt, bei dem Juden ebenso wie Nichtjuden willkommen sind.

Sabena Donath mahnte die Einbeziehung jüdischer Perspektiven bei der Bekämpfung von Judenhass an.

Meyer beklagte einen für jüdische wie auch nichtjüdische Makkabi-Mitglieder belastenden »regelmäßigen Antisemitismus auf und neben Sportplätzen«. Das Problem sei viel zu lange unterschätzt und ignoriert worden. Der Makkabi-Präsident begrüßte, dass die Tagung Vertreter des organisierten Fußballs und der Institutionen der Antisemitismusbekämpfung zu einem Austausch zusammenbringt.

Die Einbeziehung jüdischer Perspektiven bei der Bekämpfung des Judenhasses im organisierten Fußball mahnte Sabena Donath an. Viel zu selten leite sich aus der rhetorischen Ablehnung von Antisemitismus aktives Handeln ab, beklagte die Direktorin der Bildungsabteilung. Es gebe eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität. Zugleich freute sie sich sichtlich, die Teilnehmer der pandemiebedingt mehrfach verschobenen Tagung endlich in Präsenz begrüßen zu können.

verschwörungsideologie Dass Antisemitismus sich nicht immer offenkundig sichtbar, sondern auch subtil, etwa als Verschwörungsideologie, äußern kann, demonstrierte anhand mehrerer Beispiele Harry Schnabel, Mitglied des Zentralratspräsidiums und des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.

Fußball sei zwar ein Kontaktsport, bei dem man aneinandergeraten könne, sagte Schnabel, der auf eine langjährige Amateurfußballer-Karriere bei Makkabi zurückblicken kann. »Eine rote Linie ist aber erreicht, wenn antisemitische und rassistische Äußerungen getätigt werden.«

»Der Strafraum ist damit markiert«: So kommentierte Samuel Salzborn die Annahme der Antisemitismus-Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) durch die Fußball-Bundesligavereine. Berlins Antisemitismusbeauftragter sprach via »Zoom« zu den Tagungsteilnehmern.

nulltoleranz Er betonte zugleich, dass dieser erste Schritt nicht ausreicht. Vielmehr müsste aus der Regelbestimmung »die Realität einer Nulltoleranz von Antisemitismus« werden. Für Judenhasser ist der Fußballplatz, so Salzborn, eine Arena, in der sie Antisemitismus relativ ungehemmt ausleben können. Generell könne Fußball sowohl zur Entstehung als auch zum Abbau von Aggressionen beitragen.

Dass es im Fußball zu provokanten Situationen kommen kann, stritt Noam Petri im abendlichen Podiumsgespräch nicht ab. Der junge Frankfurter Makkabi-Fußballer, der sich auch in sozialen Medien gegen Judenhass engagiert, betonte jedoch: »Für antisemitische Straftaten gibt es keine Rechtfertigung.« Auf dem Platz bleibe es oft nicht bei judenfeindlichen Sprüchen, die Gegenspieler würden vielmehr auch handgreiflich. »Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, gegen gewisse Vereine unter Polizeischutz spielen zu müssen«, so Petris bemerkenswertes Resümee.

Makkabi-Sportler sind besonders oft mit israelbezogenem Antisemitismus konfrontiert.

Den Erfahrungsberichten junger Makkabi-Sportler aus Frankfurt und Offenbach ging eine sozialwissenschaftlich grundierte Einordnung von Antisemitismus im Fußball voraus. Lasse Müller, Bildungsreferent von »Zusammen1«, sprach von einer Tendenz zur Untererfassung, Bagatellisierung und Tabuisierung judenfeindlicher Vorfälle im organisierten Sport.

schimpfwort Gleichwohl seien im Vereinsfußball »sämtliche Erscheinungsformen des Antisemitismus präsent«. Beispielhaft nannte Müller den Gebrauch des Wortes »Jude« als Schimpfwort, in der Corona-Pandemie zunehmend grassierende Verschwörungsmythen sowie positive Bezugnahmen auf Nationalsozialismus und Schoa. »Israelbezogener Antisemitismus schlägt Makkabi besonders oft entgegen«, ergänzte Lasse Müller.

Am Donnerstag und Freitag wurde das Tagungsthema mit Vorträgen von Wissenschaftlern und Experten, Podiumsdiskussionen sowie praxisorientierten Workshops vertieft. Dort ging es etwa darum, Antisemitismus im Fußball sichtbar zu machen und ihm aktiv entgegenzutreten. Die Dringlichkeit dieses Anliegens formulierte Alon Meyer schon zu Beginn der Tagung: »Es ist höchste Zeit, die Kraft des Fußballs als Brückenbauer und Wertevermittler zu nutzen.«

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Fernsehen

Zieht Gil Ofarim ins Dschungelcamp? 

RTL kommentiert noch keine Namen - doch die Kandidaten-Gerüchte um Gil Ofarim und Simone Ballack sorgen schon jetzt für reichlich Gesprächsstoff

von Jonas-Erik Schmidt  27.11.2025

Rezension

Ein Feel-Good-Film voller kleiner Wunder

Ein Junge, der nicht laufen kann, Ärzte, die aufgeben, eine Mutter, die unbeirrt kämpft. »Mit Liebe und Chansons« erzählt mit Herz und Humor, wie Liebe jede Prognose überwindet

 27.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  27.11.2025

Kino

Echte Zumutung

Ronan Day-Lewis drehte mit seinem Vater Daniel als Hauptfigur. Ein bemühtes Regiedebüt über Gewalt und Missbrauch

von Maria Ossowski  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Ausmalen gegen die Realität

Kinderbücher sollten nicht dazu instrumentalisiert werden, Kinder niederschwellig zu prägen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025