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Der Sprechsteller

»Mensch gewordener Nerv. Zerplatzender Intellekt. Fakir, der sich die Nadeln gespitzter Gedanken aus dem Gehirn zieht«, so begeisterte sich die Vossische Zeitung nach einem Vortrag des österreichischen Journalisten, Essayisten und Redners Anton Kuh 1920 in Berlin. Der Deutschlandfunk widmet dem »Sprechsteller« (so Kurt Tucholsky über Kuh) am Freitag, den 22. Juni, um 20.10 Uhr ein Feature unter dem Titel Schmutzfink der Aufrichtigkeit.

Vortragskünstler Anton Kuh, 1890 in Wien als Sohn eines prominenten Journalisten geboren – sein Vater Emil war Chefredakteur des Wiener Neuen Tagblatts – zählte zu den wichtigsten österreichischen Feuilletonisten der Zwischenkriegszeit. In zahlreichen Prosastücken und Satiren attackierte er gesellschaftliche und politische Missstände, stellte Bigotterie bloß und rieb sich an geistiger Provinzialität. Zu großer Form lief Kuh als Vortragskünstler auf. In freier Rede ohne Manuskript attackierte er Zeitgenossen witzig und boshaft, getreu seinem Motto: »Warum denn sachlich, wenn es auch persönlich geht«. Eine seiner bekanntesten Stegreifreden, Der Affe Zarathustras, eine 1925 im Wiener Konzerthaus gehaltene Polemik gegen Karl Kraus, ist nur durch stenografische Mitschriften überliefert.

Hellsichtig warnte Kuh bereits seit den 20er-Jahren vor der Gefahr durch den aufziehenden Antisemitismus. Zwei Wochen vor dem »Anschluss« 1938 fragte er in seiner letzten Wiener Stegreifrede rhetorisch: »Sind die Juden intelligent?« und fuhr fort: »Wenn ja, rettet Euch. Es ist höchste Zeit!« Anton Kuh selbst konnte vor den Nazis in die USA flüchten, wo er für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung »Aufbau« schrieb. Als er 1941 in New York starb, würdigte sein Freund Franz Werfel ihn in einem Nachruf als »den Redendsten aller Redenden«, der nun verstummt war. ja

»Schmutzfink der Aufrichtigkeit. Der Journalist und Vortragskünstler Anton Kuh«. Feature von Karena Lütge und Walter Schübler, Deutschlandfunk, Freitag, 22. Juni, 20.10 Uhr

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