Shkoyach! Die Kulturkolumne

Der »Seinfeld«-Effekt oder: Curb your Antisemitism!

2026 soll mit einer guten Nachricht beginnen, mit klarem Blick nach vorn und verdammt noch mal auch Zuversicht! Deshalb wird es nicht um den abermals vermasselten Medicus gehen, der pünktlich zum Weihnachts-Filmstart die berühmtesten Ärzte des Mittelalters mal wieder zu Christen macht. Rambam-Schmambam.

Wie wäre es also hiermit: »Ex-Neonazi sagt, ›Seinfeld‹ zu sehen, habe ihn erkennen lassen, dass Antisemitismus ›dumm‹ ist.« Klingt zu herzig, um wahr zu sein? Arno Michaelis gibt es aber wirklich. Und der Mann, der heute als US-Influencer versucht, Menschen von einer Radikalisierung durch die extreme Rechte abzuhalten, berichtet immer wieder gern von seinem persönlichen Seinfeld-Effekt.

Seine damalige Partnerin, die offensichtlich zu gelangweilt war, um noch länger rechtsradikal zu sein, habe ihn überredet, etwas Zeit mit Jerry und Elaine zu verbringen. So habe er schließlich heimlich alle möglichen »Produkte der jüdischen Unterhaltungsindustrie« genossen, so der ehemalige White-Supremacist. »Die Freude, die brillante Juden in mein Leben brachten, erinnerte mich täglich daran, wie dumm Antisemitismus ist!«

... und was sagt Haschem dazu?

Go, Jerry, go! Doch bevor jetzt das Auf-die-eigene-Schulter-Klopfen beginnt, Kinos angemietet und Neonazi-Lebendfallen aufgestellt werden: Seinfeld war nicht alles! Was Arno Michaelis letztlich dazu gebracht habe, dem Hass den breiten Rücken zu kehren, seien die Menschen gewesen, die er hassen sollte und die ihm trotzdem mit Freundlichkeit begegnet seien. »Menschen wie mein jüdischer Chef, der sagte, ich sei ›ein guter Junge, der gerade eine Phase durchmacht‹, anstatt mich zu entlassen, als ich mit Hakenkreuz-Aufnähern zur Arbeit kam«, so Michaelis.

Natürlich glaube ich nicht daran, dass Küchenmesser-schwingende Islamisten oder hysterische Kufiya-tragende Soziologie-Studentinnen nach ein paar Stunden Seinfeld, Harry und Sally und Curb your Enthusiasm (deutsch: Lass es, Larry) mit mir Rugelach essen werden. Und ich halte auch nichts davon, wenn Larry David – in der grandiosen Folge »The Watermelon« – einem KKK-Mitglied, auf dessen Kutte er aus Versehen Kaffee gekleckert hat, unbedingt die Trockenreinigung bezahlen will, damit dieser fleckenlos und rechtzeitig zum nächsten Hass-Marsch kommt. »So à la Jesus«, wie David es dem widerwilligen jüdischen Reinigungsbesitzer schmackhaft machen will, »die andere Wange hinhalten, du weißt schon …«

Aber ich glaube auch nicht daran, dass es die Welt dem Frieden näherbringt, dummen Hass genauso dumm zu beantworten, in der Hoffnung, dass es abschreckend wirken möge.

Kaffeefleck auf der Klan-Kutte

Aber Moment, noch mal zurück zum Kaffeefleck auf der Klan-Kutte. Was sagt denn Haschem dazu? Halachisch sei es ganz klar, führte Rabbi Mark Wildes einst im »Forward« aus: »Wenn Sie fahrlässig handeln oder vorsätzlich oder aus Unachtsamkeit das Eigentum eines anderen beschädigen, sind Sie dafür verantwortlich, den Schaden zu ersetzen.« Allerdings stehe die Kutte ja für sündhafte Aktivitäten, die ihr Träger im Sinn hat, sodass David doch nicht für die Reinigung verantwortlich sei, so der Rabbi weiter. Durchs Instandsetzen der Kleidung könnte er die Sünde sogar begünstigen …

Sollte sich Larry David stattdessen also lieber nach mehr Kutten umsehen, um Kaffee draufzuschütten? Wäre das nicht sogar eine Mizwa? Und was heißt das für Neonazis und den Medicus? 2026 kann ja heiter werden!

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