Finale

Der Rest der Welt

Montag: Kaiserschmarren mit Zwetschgenröster, Dienstag: Marillenknödel in Semmelbrösel, Mittwoch: Powidltascherln. Wir sind seit einer Woche bei meinen Eltern im Urlaub, und ich habe bereits drei Kilo zugenommen. Heute gibt’s Milchrahmstrudel. Habe vorsichtshalber schon mal ein Alka Seltzer getrunken. Mein Mann schlürft schon zum Frühstück ein Beutelchen Magen-Gel.

Meine Mutter hat seit Tagen die Küche nicht mehr verlassen und knechtet seit sechs Uhr morgens am Küchentisch vor sich hin. Ich beschließe, ein ernstes Gespräch mit ihr zu führen. Ab jetzt gibt es nur noch schnelle, leichte Gerichte. Am besten fertig. Und wie wär’s mal mit einem französischen Einschlag, statt dieser Wiener Schmäh?

Light Meine Mutter nimmt wie immer alles sehr ernst, was ich sage, schnappt sich sofort den Laptop und beginnt eine Internet-Recherche zum Thema »leicht, schnell, französisch«. Bereits am folgenden Nachmittag wird eine tiefgekühlte Kiste angeliefert. Inhalt: ein Dutzend Dosen koschere Crème brulée light aus Straßburg samt passender Förmchen.

Meine Mutter ist begeistert. Bis sie die Gebrauchsanweisung liest: Die kleinen Crèmes müssen flambiert werden. Da bei meiner Mutter immer alles perfekt sein muss, hängt sie sich erneut an den Laptop und bestellt einen Flambierer, einen passenden Augenschutz und eine Atemmaske. Außerdem einen weißen Laborkittel in Damengröße. Bereits nach 24 Stunden erreicht uns per Post eine monumentale Holzkiste.

Meine Mutter säbelt mit glitzernden Augen die Kiste auseinander, wirft sich in den weißen Laborkittel, setzt die Schutzbrille auf, nimmt ihren Flambierer zur Hand und drückt auf den kleinen roten Flambier-Knopf. Das Gerät gibt nur ein leises »pfffff« von sich. Mein Vater setzt seine Lesebrille auf und studiert die Gebrauchsanweisung. »Vor dem ersten Gebrauch bitte eine Kartusche mit Butangas einsetzen.« Butangas?

Pfeifenladen Wieder hängt sich meine Mutter ans Internet, dann ans Telefon und hat bald einen exklusiven Zigarren- und Pfeifenladen in der Stadtmitte aufgetrieben, wo Butangas in Flambierer abgefüllt werden kann. Der Zigarrenheini erwartet uns bereits vor seinem Geschäft, neben ihm ein Karren, darauf festgeschnallt ein Zehnlitertank mit Butangas. Wir machen eine scharfe Rechtskurve und treten den Rückzug an, noch bevor der irre Pfeifenfuzzi uns erblickt hat.

Schließlich erstehen wir für 1,99 Euro eine Sprühdose mit Feuerzeuggas an der Kasse bei Edeka. Meine Mutter ist glücklich und beginnt zu flambieren, was das Zeug hält. In der Dose ist genug Butangas für 150 Förmchen mit Crème brulée. Dann müssen wir Nachschub besorgen. Danach flambiert meine Mutter noch ein Dutzend Crêpes Suzettes, ein kompliziertes pochiertes Fischgericht mit Sherry.

Wir kommen darauf, dass man den Flambierer auch verwenden kann, um Play-Doh-Figuren der Kinder superschnell auszuhärten. Außerdem kann man sehr schöne Muster auf kleine Holztafeln brennen und diese dann Omi und Opi als Frühstücksbrettchen schenken. Schließlich posiere ich noch in der Flambier-Kluft, mitsamt Brille und Mundschutz, den brennenden Flambierer in der Hand, für Facebook. Dann gibt er den Geist auf, und meine Mutter lässt ihn erleichtert in der Recycling-Tonne verschwinden – um gleich danach Quark-Piroggen für ein frühes Abendessen vorzubereiten.

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024