Finale

Der Rest der Welt

Es gibt da so einen Neonazi bei uns im Quartier. Er trägt Springerstiefel und hat sein Haar sehr kurz geschoren. Ich begegne ihm mindestens zweimal am Tag. Er wohnt drei Häuser von uns entfernt und guckt mich immer grimmig an, wenn sich unsere Wege kreuzen. Manchmal läuft an seiner Seite eine Frau, wahrscheinlich seine Freundin oder Mitkämpferin. Auch sie guckt sehr verbissen drein. Und sie sieht ein bisschen aus wie Beate Zschäpe. So, nein, ich bin noch nicht fertig. Ich möchte anfügen, dass sie immer in Begleitung zweier großen Doggen herumlaufen.

Manchmal sitze ich auf dem Spielplatz und beobachte die beiden mit ihren Doggen. Die Hunde wollen ihren Besitzern nicht richtig gehorchen. Sie bellen, nein, sie kläffen wie irre. Der Mann raunzt sie an: »So höret mal uff!« Aber die Doggen, die keine Schweizer Mundart verstehen, bellen noch lauter. Dann beginnt die optische Schwester von Beate Zschäpe zu kreischen: »Ich bring eu no um!« Aber auch diese Todesdrohung kommt bei den Kötern nicht an. Wenn die beiden Neo-nazis am Spielplatz vorbeilaufen, rennen natürlich alle Kinder verschreckt zu ihren Mamis.

Niedliche Ponys Der Mann und die Frau zerren an den Hundeleinen und verhindern jeweils knapp, dass ein Kind zerfleischt wird. Meine Tochter kennt die Doggen bereits. In ihrer kleinen Welt gibt es eigentlich nur niedliche Ponys, süße Hasen und noch süßere Nemo-Fische. Die Hunde aber, die heißen bei ihr nur »Kampfhunde«. Klar, ich gehe selbstverständlich nicht zur Hundefamilie und versuchte, zu erklären, dass sich das ganze Quartier eigentlich nur wünscht, die vier Lebewesen würden noch heute ihre Sachen packen und nach irgendwo verreisen. Ich bin eher ein Mann des Ausgleichs.

Neulich, ich musste noch dringend Milch einkaufen vor Schabbat, da treffe ich den Neonazi in unserem Dorfladen. Er hatte künstliche Knochen für seinen Hund, und etwa 20 Dosen Bier für sich und seine Liebste im Einkaufskorb. Es war der Freitag vor Muttertag. Wir waren nun genau gleichzeitig an der Kasse, auf die Millisekunde. Ich guckte ihn an, er mich. Stille. Wer sich jetzt vorbeidrängelt, der hat keinen Anstand, so viel stand fest. Ich überlegte scharf: ich oder er. Jude oder Arier beziehungsweise Schweizer, der gerne Arier wäre. Häufig genervter Familienvater oder schlechter Hundehalter. Beschnittener oder – Da machte der Typ plötzlich eine Geste, dass ich zuerst gehen darf! Ich guckte ihn sprachlos an. Meint er das ernst? Ja, jetzt lächelte er mich sogar an. Ins Gesicht. Ich stammelte etwas von »Danke« und hielt meinen Mund immer noch offen.

Er bemerkte das: »Stören euch manchmal meine Hunde?«. Ja, das hat er mich gefragt. Ich war nervöser als bei meinem ersten Date. »Nein«, stammelte ich, »meine Kinder lieben ihre Doggen«. »Schäferhunde«, korrigierte er mich freundlich, »deutsche Schäferhunde, reinrassige übrigens.« »Ja«, antwortete ich, »ja, natürlich«. Die Welt wird immer komplizierter.

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

»Jay Kelly«

In seichten Gewässern

Die neue Netflix-Tragikomödie von Noah Baumbach startet fulminant, verliert sich dann aber in Sentimentalitäten und Klischees

von Patrick Heidmann  20.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  20.11.2025