Ich renne wie eine Furie die staubigen Flure auf und ab, auf der grimmigen Suche nach dem Gemeinschaftsstaubsauger von Emmas windschiefem Chabad-Studentenwohnheim. Ich bin ein paar Tage in Wien zu Besuch, um einmal nach dem Rechten zu sehen. Leider musste ich bei der Visite von Emmas Studi-Zimmer feststellen, dass es auch schon bessere Tage gesehen hat.
Alles wackelt und bröselt, auf dem angeranzten Duschvorhang wächst fast schon Penicillin, und kleine wollige Steppenläufer aus diversen Fusseln kugeln lustig auf dem Teppichboden umher. Ich muss etwas tun! Wo ist der verdammte Staubsauger? Eigentlich hat er seinen Platz im Putzschrank am Eingang des Studi-Wohnheims, aber da ist er nie anzutreffen.
Entnervt klopfe ich bei den anderen Mitbewohnerinnen an, aber Luba ist gerade nicht da, Tasoula versichert mit Flötenstimme, sie wisse nichts vom Staubsauger-Verbleib, ebenso ist es bei Bjelle und Ruxandra, und aus Desislavas Zimmer schließlich ertönen leise Staubsaugergeräusche, aber sie macht mir nicht auf. Ich könnte vor Ärger in den Teppich beißen. Wenn er nicht so rettungslos verfilzt und verfusselt wäre.
Ansonsten ist Emmas Zimmer eigentlich ganz hübsch und hat einen gewissen maroden Charme, mit seinen hohen cremefarbenen Wänden und den altmodischen, weiß lackierten Doppelfenstern. Die Sicht geht hinaus auf einen schönen Park mit hohen alten Bäumen und bunten Blumenrabatten – sehr beruhigend und nervenstärkend, diese Aussicht. Und tatsächlich war dieses Wohnheim noch vor 100 Jahren eine Nervenheilanstalt für Damen der besseren Gesellschaft, seitdem scheint der Laden nicht mehr groß renoviert worden zu sein.
Ich bin ein paar Tage in Wien zu Besuch, um einmal nach dem Rechten zu sehen.
Mitten im Park steht ein kleiner Pavillon, hier ist die Chabad-Mensa untergebracht und serviert mittags und abends ihre steinharten Schnitzel mit schleimigem Kartoffelpüree sowie anderen unappetitlichen Beilagen. Es gibt auch eine Studentenküche, gleich neben Emmas Raum, hier hängt ein großes Schild »Please keep this Kitchen Kosher«. Kaum neun Uhr am Morgen, und schon braten Luba und Gergana irgendwelche Schweinsrippchen mit Ei zum Frühstück, fettige Duftschwaden wabern durch den Korridor – mir wird schlecht. Kein Wunder, dass Emma fast nie die Küche betritt und sich vorwiegend von Froot Loops und Supermarkt-Sushi ernährt.
Zum Glück wohnt meine Family in Wien, ich habe da einige Tanten, die vorzüglich kochen, und so begibt sich Emma alle paar Tage auf Hamsterfahrt in den neunten Bezirk und kehrt stets mit einer erklecklichen Anzahl an Tupperware-Dosen in allen Farben und Formen zurück … darin warme Wiener Mehlspeisen, Powidltascherln, Marillenknödel und Palatschinken.
Glücklich seufzend sitzt Emma dann auf ihrem Studentenbett und versenkt sich in die Düfte der diversen Tupperware-Behälter. Schon bald klopft es an der Tür, und Emmas ewig hungrige Kommilitoninnen schieben sich herein und wollen von ihr durchgefüttert werden. Eine ganze Hühnerschar sitzt nun lustig schnatternd auf Bett und Fußboden verteilt, Anna probiert mein Make-up aus, Vesna singt traurige rumänische Liebeslieder, begleitet von Daciana auf der Ukulele. Ach, du schönes, buntes, verranztes Studentenleben!