Glosse

Der Rest der Welt

Foto: Getty Images

Glosse

Der Rest der Welt

Mit Fliesen im Flugzeug: Wie ich ein Badezimmer in Tel Aviv einrichtete

von Ralf Balke  18.05.2025 01:35 Uhr

Hurra, Berlin und Tel Aviv sind endlich Partnerstädte geworden! Beide Metropolen haben schließlich viel gemeinsam, gelten als liberal und kreativ. Aber Israels größte Stadt liegt immerhin am Mittelmeer, während das »Spree-Athen« von Brandenburg eingekreist ist.

Doch etwas anderes verbindet beide, und das sind die hohen Mieten, wobei Tel Aviv in diesem Punkt Berlin um Längen schlägt. Für Bruchbuden werden Mondpreise verlangt, selbst ein WG-Zimmer schlägt schnell mit 1000 Euro im Monat zu Buche, und für den Begriff Mieterschutz gibt es im Hebräischen kein vergleichbares Wort – das Konzept ist nämlich gänzlich unbekannt.

Auch wer nur für zwei oder drei Monate in Tel Aviv weilt, wird angesichts der Preise auf Airbnb blass. Für ein »Studio«, ein Euphemismus für ein Wohnklo mit Kochdusche, weil oft keine 15 Quadratmeter groß, werden umgerechnet 1500 Euro verlangt. Über 100 Euro pro Quadratmeter im Monat – das schafft nicht einmal Berlin.

Ich denke mit Wehmut an die Wohnung zurück, auf die ich fast 25 Jahre Zugriff hatte.

Da denke ich mit Wehmut an die Wohnung zurück, auf die ich fast 25 Jahre Zugriff hatte, sobald es nach Tel Aviv ging. Rund 400 Euro zahlte ich am Ende für 42 Quadratmeter pro Monat, ein absolutes Schnäppchen.
Aber der Preis war nicht nur heiß, er wog auch schwer. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Denn die Vermieterin, die in Deutschland lebte, war der Auffassung, dass Israel absolut rückständig sei, auch in Sachen Badezimmerausstattung.

Meine Aufgabe sollte es daher sein, sämtliche für die anstehende Renovierung von Bad und Toilette benötigten Boden- und Wandfliesen im Flieger mitzunehmen.

Natürlich nicht auf einmal. Deshalb gab es vor jedem Flug das gleiche Ritual: Die Vermieterin erschien mit einer Tasche voller Badezimmerfliesen, die ich, bitte schön, in meinem Koffer verstauen möge, Gesamtgewicht zehn bis zwölf Kilo. Nun kam es auf mein Verhandlungsgeschick an, das Ganze um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Knapp zehn Jahre ging das so.

Dann waren schließlich und endlich alle Fliesen in Tel Aviv, und die Renovierung konnte beginnen. Erlöst war ich damit aber noch lange nicht von meinen besonderen Aufgaben, auch einen gepolsterten Toilettensitz, der bei der Sicherheit von EL AL für viel Heiterkeit sorgte, bekam ich aufs Auge gedrückt. Aber was zählt schon die eigene Würde, wenn man für so wenig Geld in Tel Aviv wohnen kann?

Sachbuch

Die Gruppe 47, Günter Grass und die ersten »Shitbürger«

»WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt rechnet in seinem neuen Bestseller »Shitbürgertum« auch mit der Kontinuität des deutschen Judenhasses ab. Ein exklusiver Auszug

von Ulf Poschardt  02.09.2025

Zahl der Woche

228 Kilogramm

Fun Facts und Wissenswertes

 02.09.2025

München

Bayerische Staatsgemäldesammlungen geben vier Gemälde zurück

Die »Süddeutsche Zeitung« hatte berichtet, dass Nachfahren von enteigneten jüdischen Kunstbesitzern nicht über NS-Raubkunst im Besitz der Staatsgemäldesammlungen informiert worden seien

 02.09.2025

Filmfestvial Venedig

Im Schatten der Kriege

Auf dem Lido konkurrieren Werke über Putin und Gaza um die Goldenen Löwen. »Propalästinensische« Aktivisten fordern den Boykott israelischer Schauspieler wie Gal Gadot

von Jens Balkenborg  02.09.2025

New York

Woody Allen lobt Donald Trump als Schauspieler

Der Regisseur und Darsteller sieht die Darbietung des heutigen Präsidenten in dem Film »Celebrity« von 1998 positiv – und fragt sich, warum sich der Golf- und Glamour-Fan freiwillig ins Elend der Politik stürzte

 02.09.2025

Kulturkolumne

Das Hessenlied

Wie aus einem Sowjetbürger ein Besser-Wessi wurde

von Eugen El  01.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  01.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  01.09.2025 Aktualisiert

Medizin

Revolutionäre Implantation

Ein israelisches Biotech-Unternehmen plant die weltweit erste Übertragung künstlichen Rückenmarks

von Sabine Brandes  31.08.2025