Glosse

Der Rest der Welt

In der Kneipe um die Ecke Foto: picture alliance / Bildagentur-online/Schoening

Ich habe nie verstanden, weshalb Menschen gerne in Cocktailbars gehen. Zuerst steht man ewig an der Theke, bis einem der düster dreinblickende Barkeeper knapp zunickt und man endlich seinen Gin Basil Smash für 9,50 Euro bestellen kann. Dann presst man sich nach einer weiteren Viertelstunde Wartezeit mit dem überschwappenden Getränk durch die gestresste Menge bis zu einem nur mit viel Glück ergatterten Platz und gesellt sich zu den bereits ihren Espresso Martini oder Oaxaca Old Fashioned schlürfenden Freunden.

Dort sitzt man dann auf einer mehr an Strafgaleere als an Hautevolee erinnernden Holzbank und brüllt sich gegenseitig ins Ohr: »Richtig gute Stimmung hier!« Die Musik – vermutlich legt ein DJ aus Tel Aviv oder London auf – ist in der Regel viel zu laut, um sich wirklich unterhalten zu können. Weiter als bis zum unmittelbaren Sitznachbarn reicht die eigene Stimme selten, und Halsschmerzen am nächsten Tag gehören für mich zum Kollateralschaden eines jeden Bar-Besuchs.

bier vom fass Wie gut für mich, dass es noch ein weiteres, altehrwürdiges Konzept des geselligen Trinkens gibt: die Eckkneipe. Das kleine Bier vom Fass kostet hier 2,20 Euro, und der Kneipier begrüßt einen mit breitem Lächeln und den Worten »Auch mal wieder da!«. Man sitzt auf gepolsterten Bänken mit Lehne, und statt sich ständig »Was hast du gesagt?!« zurufen zu müssen, ist die Musik aus der antiquarischen Jukebox gerade leise genug, um ein unangestrengtes Gespräch führen zu können. Und das Beste: Man kann nach Lust und Laune wahlweise Kicker, Billard oder Darts spielen.

Das Beste: Man kann nach Lust und Laune wahlweise Kicker, Billard oder Darts spielen.

Und für alle, denen das Klima in ihrer Kiez-Spelunke zu rau oder die politische Gesinnung in der nächsten Rocker-Absteige vielleicht suspekt ist, habe ich einen Tipp: Kommt in meine Lieblingskneipe! Trotz ihrer Lage direkt an der notorischen S-Bahn-Haltestelle Hermannstraße ist dies ein durch und durch sympathischer Ort.

Hier kommen Menschen aller Couleur und Milieus zusammen: von der Erasmus-Studentin aus Irland über den Urberliner Hertha-Fan bis zur Intensivkrankenschwester des städtischen Krankenhauses. Und wer eine Runde »Futschis« ausgibt, kann sie alle kennenlernen.

detail Nun gibt es noch ein bestimmtes Detail, das mich sofort für diese Kneipe eingenommen hat: An der Wand hängen, in dieser Reihenfolge, die Flaggen von Berlin, Deutschland, der Europäischen Union – und Israel!

Ein echtes Kuriosum, das mir der Wirt einmal so erklärte: »Früher hattn wa nur ne Deutschlandfahne. Da ham se jesacht, wir sind Nazis. Deshalb ham wa noch die Israelfahne dazu jehängt. Jetzt heeßt et imma, wir sind Zionisten. Tja, wat willste machn.« Seitdem proste ich ihm bei jedem Bier, das er mir zapft, zu: »LeChaim!« Ganz sicher, ob er weiß, was das bedeutet, bin ich mir allerdings nicht.

Zürich

Protest gegen ESC-Teilnahme Israels: Nemo gibt Pokal zurück

Mit der Zulassung Israels verrate der Gesangswettbewerb seine Werte von »Einheit, Inklusion und Würde für aller Menschen«, so Nemo

 12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  11.12.2025

Israel

Ausstellung zu Bachs Klaviermusik in Jerusalem

Das Bachhaus Eisenach zeigt in Israel Dokumente zur frühen Verbreitung von Johann Sebastian Bachs Musik in Europa. Die Ausstellung begleitet das »12. Piano Festival« im Jerusalem Theatre

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Fotografie

Über die Würde des Unangepassten

Der Berliner Gropius Bau widmet Diane Arbus eine umfangreiche Retrospektive

von Bettina Piper  11.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 11.12.2025

Reykjavik

Auch Island boykottiert jetzt den ESC

Der isländische Rundfunksenders RÚV hat beschlossen, sich Spanien, Irland, Slowenien und der Niederlande anzuschließen

 11.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025