Glosse

Die Jewrovision, Dirty Dancing und die Liebe meines Lebens

Zwölf Punkte für Dättwil und Fischbach-Göslikon!

von Beni Frenkel  25.05.2022 16:14 Uhr

Ja, genauso wie bei »Dirty Dancing«. Foto: imago images/Everett Collection

Zwölf Punkte für Dättwil und Fischbach-Göslikon!

von Beni Frenkel  25.05.2022 16:14 Uhr

Ich bewundere die Kinder und Jugendlichen, die bei der Jewrovision auftreten. Auf der Bühne und vor Publikum zu singen oder zu tanzen, das wäre nichts für mich gewesen.

Wenn ich ehrlich bin, dann wäre das auch heute nichts für mich. Ich bin zu ängstlich. Und ich habe noch nie getanzt. Singen ginge. Aber nur wie in der Synagoge: das Publikum im Rücken.

spagat Ich hätte als Jugendlicher nur dann bei der Jewrovision mitgemacht, wenn da Estelle mitgetanzt hätte. Die Liebe meines Lebens. Sie wusste nichts davon. Für Estelle hätte ich getanzt, gesungen und am Ende den Spagat gemacht.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Ich war 16, sie vielleicht 14. Sie war das einzige jüdische Mädchen in unserem Dorf. Okay, es gab noch Laika oder Lalika. Ich bin mir da nicht sicher. Laika oder Lalika war einen Kopf größer als ich. Ein Riesenmädchen aus Russland. Heute müsste man sie boykottieren, ich habe das schon vor 30 Jahren getan.

Estelle hingegen war kleiner als ich und bildhübsch. Ich habe mir damals den Kopf zermartert. Estelle wusste zwar, dass ich existiere, aber dass ich in sie verliebt war, bekam sie nicht richtig mit.

Wenn ich das Rad der Geschichte um 30 Jahre zurückdrehen würde, hätte ich uns beide für die Jewrovision angemeldet. Estelle in Paillette, ich in einem Benetton-Pullover.

ma nischma »Ma nischma b’Dättwil?«, so hätte unser Gesangsduo geheißen. Was gibt’s Neues in Dättwil? So hieß die kleine Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin. Estelle selbst wohnte in einem Ort fünf Kilometer von Dättwil entfernt. Das Dorf hatte ebenfalls einen wunderschönen poetischen Namen: Fischbach-Göslikon.

Um damals keinen Streit zu provozieren, hätte ich vielleicht einen anderen Namen für unsere Gruppe gewählt: »Ma nischma b’Dättwil we Fischbach-Göslikon«.

Mit 16 Jahren dreht sich bei den meisten Jungs alles nur um Mädchen. Ich hätte auch Pink getragen, wenn das Estelle so gewollt hätte. In unserem Lied wäre es um den Frieden gegangen. Und um die Umwelt, Chancengleichheit, Einheit und Gottvertrauen.

hebebühne Wahrscheinlich hätten wir in Englisch gesungen. Nur nicht Französisch. Und ich habe gelernt, dass Männer dann nicht peinlich sind, wenn sie langsam tanzen. Ich hätte eine Sonnenbrille getragen und einen Hut. Während ich langsam so vor mich hintanze, schwebt Estelle mit einer Hebebühne auf die Tribüne. Ich singe über Gottvertrauen, während sie sich warm läuft.

Dann sprintet sie auf mich zu. Ich fasse sie im richtigen Moment unter der Hüfte und stemme das hoffentlich leichte Mädchen in die Luft. Ja, genauso wie bei Dirty Dancing. Der Saal tobt, und wir gewinnen den ersten Preis!
Zwölf Punkte für Dättwil und Fischbach-Göslikon.

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert