Glosse

Der Rest der Welt

Gestatten, Goldmann» Jane A. Goldmann Foto: dpa

Glosse

Der Rest der Welt

Hohe Ziele oder Warum meine Freunde mich nur noch Jane nennen

von Ayala Goldmann  22.08.2019 12:32 Uhr

Als ich noch ein paar Tage jünger war als jetzt, hatte ich große Ziele. Ich träumte davon, eine bedeutende Journalistin zu werden – eine, die in die Geschichte eingeht. Ich wollte Vorurteile über Israel abbauen und gleichzeitig das Land verändern. Am liebsten wäre ich »Spiegel«-Korrespondentin in Jerusalem geworden. Oder gut bezahlte Edelfeder der »Süddeutschen«.

Außerdem wünschte ich mir drei Kinder, eine Eigentumswohnung in Berlin, eine Wohnung am Meer in Tel Aviv, eine Datsche und einen Mann, der einen mindestens genauso wichtigen Beruf ausübt wie ich, aber trotzdem Zeit hat, den Rasen vor der Datsche zu mähen und unsere netten, einflussreichen und gut gelaunten Freunde zum Barbecue einzuladen.

Kleingarten Gemessen an diesen Zielen habe ich nicht viel erreicht. Vor ein paar Tagen habe ich mein »Spiegel Plus«-Abo gekündigt. Auch die Süddeutsche ist nicht mehr das, was sie einmal war. Wohnungen in Berlin sind unbezahlbar, und mein Mann weigert sich, einen Kleingarten zu pachten – mit dem Argument, dass er schon genug Arbeit hat und ich bloß im Liegestuhl sitzen wolle. Weder meine noch seine Freunde sind besonders nett oder bedeutend; sie fallen auch nicht durch maximalen Optimismus auf.

Außerdem haben wir zwar einen Balkon, aber keinen Grill. Aus Altersgründen blieb es bei nur einem Sohn, ab Herbst werde ich zur Mammografie eingeladen, und der Zahnarzt setzte mir neulich eine Implantatkrone ein – mit den Worten: »Vollkeramik. Die können Sie mit in die Grube nehmen.« Na toll!

Parcours Zum Glück habe ich jetzt neue Lebensziele gefunden, bevor die Implantatkrone und ich unsere endgültige Bestimmung erreicht haben. In Berlin-Jungfernheide gibt es einen Hochseilgarten.

Dort kraxele ich regelmäßig und steigere mich jede Woche. Schon fühle ich mich wie Tarzans Jane. Bekam ich anfangs auf fünf Metern Höhe weiche Knie, absolviere ich mittlerweile den »Roten Parcours« in zwölf Metern Höhe samt wackeligen Brettern, auf denen der Kletterer stehen und dabei seine beiden Sicherungen am Drahtseil abwechselnd aushaken und hinter einem Knoten wieder anbringen muss – der Draht heißt passenderweise »Lebenslinie«.

Extremsportler Spannung, Schweiß und Adrenalin sind garantiert, und echte Glücksgefühle, wenn der Sohn mitklettert und die Sonne am Nachmittag zwischen den Bäumen hervorscheint. Das nächste große Ziel habe ich auch schon vor Augen: Auf 17 Metern Höhe lockt der Parcours »Schwarz Plus«, gekennzeichnet mit einem Totenkopf und angeblich nur für Extremsportler geeignet. Die Drahtseilkombinationen wirken so abenteuerlich, dass mir schon beim Zusehen schwindelig wird.

Klettern habe ich dort allerdings noch nie jemanden gesehen. Trauen sich die Leute nicht? Oder geht es ihnen vielleicht so wie mir – sie sparen sich die ganz großen Ziele lieber für das nächste Jahr auf? Ich jedenfalls habe beschlossen, dass »Schwarz Plus« erst nach Rosch Haschana dran ist.

Dann werde ich vielleicht doch noch in die Geschichte eingehen: Als Jane A. Goldmann, die erste deutsch-jüdische Bergsteigerin auf dem K2 der Jungfernheide!

Hollywood

Die »göttliche Miss M.«

Schauspielerin Bette Midler dreht mit 80 weiter auf

von Barbara Munker  28.11.2025

Literatur

»Wo es Worte gibt, ist Hoffnung«

Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen über arabische Handwerker, jüdische Mütter und ihr jüngstes Buch

von Ayala Goldmann  28.11.2025

Projektion

Rachsüchtig?

Aus welchen Quellen sich die Idee »jüdischer Vergeltung« speist. Eine literarische Analyse

von Sebastian Schirrmeister  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025

Aufgegabelt

Hawaij-Gewürzmischung

Rezepte und Leckeres

 28.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 28.11.2025 Aktualisiert

Fernsehen

»Scrubs«-Neuauflage hat ersten Teaser

Die Krankenhaus-Comedy kommt in den Vereinigten Staaten Ende Februar zurück. Nun gibt es einen ersten kleinen Vorgeschmack

 28.11.2025

Eurovision Song Contest

Spanien bekräftigt seine Boykottdrohung für ESC

Der Chef des öffentlich-rechtlichen Senders RTVE gibt sich kompromisslos: José Pablo López wirft Israel einen »Genozid« in Gaza und Manipulationen beim Public Voting vor und droht erneut mit dem Austritt

 28.11.2025

Imanuels Interpreten (15)

Elvis Presley: Unser »King«

Fast ein halbes Jahrhundert nach Elvis’ Tod deutet viel darauf hin, dass er Jude war. Unabhängig von diesem Aspekt war er zugleich ein bewunderns- und bemitleidenswerter Künstler

von Imanuel Marcus  28.11.2025