Finale

Der Rest der Welt

Warum wir die »Hatikwa« nicht gendern müssen

von Ayala Goldmann  05.03.2018 20:20 Uhr

Zum 8. März mal wieder auf die Gleichberechtigung pochen: Auch in Israel werden Frauen immer noch schlechter bezahlt als Männer. Foto: Flash 90

Warum wir die »Hatikwa« nicht gendern müssen

von Ayala Goldmann  05.03.2018 20:20 Uhr

Frauen können überall auf der Welt ein Lied davon singen: schlechtere Bezahlung für gleiche Arbeit und weniger Karrierechancen. Da bleibt der 8. März doch die ideale Gelegenheit, um wieder mal auf Gleichberechtigung zu pochen.

Leider ist das im 21. Jahrhundert auch für jüdische Frauen nicht selbstverständlich – weder in Israel noch in der Diaspora.
Doch können wir Sexismus bekämpfen, indem wir die Grammatik ändern? Haben das große I in den 70er-Jahren oder die heute angesagten Gender-Sternchen tatsächlich irgendetwas bewegt?

bewusstsein Den neuesten Vorstoß auf urdeutschem Terrain hat Kristin Rose-Möhring unternommen, die bis dato wenig bekannte Gleichstellungsbeauftragte des Familienministeriums: Mehr Bewusstsein versprach sich die sozialdemokratische Beamtin von einer Änderung der Nationalhymne. In der dritten Strophe (»Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland«), befand sie, solle es lieber »Heimatland« heißen; statt »brüderlich mit Herz und Hand« schlug Rose-Möhring »couragiert« vor.

Doch der Vorschlag rief solche Entrüstung hervor, dass die Bundeskanzlerin sich persönlich distanzieren musste. Natürlich könnte man, um die Rolle der Frauen noch tiefer im Bewusstsein der Nation zu verankern, auch die zweite Strophe der Hymne wieder offiziell einführen (»Deutsche Frauen, Deutsche Treue, Deutscher Wein und Deutscher Sang/Sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang …«). Doch gilt gerade diese Strophe als besonders sexistisch und wird gerne mal bei Pegida-Demos intoniert. Das »Deutschlandlied« scheint also nicht das rechte Mittel, um den Feminismus voranzubringen.

Da haben es die Israelis doch besser: Die hebräische Grammatik kennt weibliche und männliche Verbformen. Und die israelische Nationalhymne, die »Hatikwa«, ist sowohl in Verb- als auch in Substantivformen auffällig feminin angelegt. Es geht um die »Nefesch jehudi homia«, die »jüdische Seele, die im Herzen wohnt« (eine absolute Frauensache), das »nach Zion schauende Auge« (im Hebräischen ebenfalls feminin) und die 2000 Jahre alte »Hatikwa«, die (selbstverständlich weibliche) Hoffnung auf ein Leben in »Eretz Zion Jeruschalajim« (drei feminine Substantive in Reihung!). Komisch, dass noch keinem Israeli eingefallen ist, die Hatikwa endlich genderneutral zu formulieren.

macker-gehabe Was aber auch andere Gründe haben könnte: Israelische Männer fallen in freier Wildbahn durch imposantes Macker-Gehabe auf, wohingegen israelische Frauen mit mehrköpfiger Familie und meist voller Berufstätigkeit ein Pensum bewältigen, das viele ihrer Geschlechtsgenossinnen in Europa erbleichen lässt. Dafür hat der israelische Mann nach seiner Hochzeit nichts mehr zu melden: Tut er nicht, was seine Frau will, ist die Hölle los.

Prominentes Beispiel: Sara und Benjamin Netanjahu. Doch selbst Terror in der Ehe scheint Gleichberechtigung nicht zu fördern – auch nach diversen Regierungsperioden der Familie Netanjahu werden in Israel Frauen immer noch schlechter bezahlt als Männer. Was dagegen hilft? Ich weiß es auch nicht, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht öfter mal die Hatikwa anstimmen? Oder »Die Internationale« – auf Hebräisch?

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert