Finale

Der Rest der Welt

Die haben doch allesamt einen an der Waffel. Das denke ich mir jeden Morgen, wenn wieder einmal ein Trupp Brüssel-Touristen an mir vorbeizieht. Mit ihren aerodynamisch geformten Rucksäcken und ihren viskoelastischen Turnschuhen machen sie einen unglaublich enthusiastischen Eindruck. Dabei sind sie doch nur in Brüssel unterwegs – dieser unsympathischen touristischen Nullnummer.

»Zieht weiter«, will ich ihnen zurufen. London und Paris sind nicht einmal zwei Stunden entfernt. Verbratet Eure Touri-Kohle doch lieber anderswo. Aber was soll’s. Vielleicht sind die ja alle auf so einer Art Maso-Trip und wollen sich mit übelen, stinkenden und gefährlichen Locations quälen, von denen Brüssel ziemlich viele zu bieten hat.

Maalbeek Nehmen wir nur mal die Metro. Bis vor Kurzem war das einfach nur ein Netzwerk von miefigen Untergrundlöchern mit schleimig-grünen Wänden und stinkenden, vor sich hin tropfenden Stalagmiten. Seit Neuestem ist aber auch die Metro zu einem wahren Horror-Ort geworden: Die Station Maalbeek, an der ich früher immer ausgestiegen bin, ist nach dem Terroranschlag wieder offen und an jeder Ecke breitet sich ein deprimierendes Jammertal an Blumen, Briefchen und Gedenkkerzchen aus. Ich bringe es einfach nicht über mich, in Brüssel wieder Metro zu fahren.

Aber was tun? Radfahren hasse ich wie die Pest, zu Fuß gehen im stinkigen Brüssel hasse ich auch. Die ideale Lösung ist also Rollerfahren. Diese rasante Art der Fortbewegung verschafft einem eine angenehm luftige Brise, sodass fiese Brüssel-Gerüche gar nicht weiter auffallen. Ich also nichts wie mein Metro-Abo gekündigt und großkotzig im Büro verkündet, ich käme jetzt jeden Morgen per Roller angedüst.

Wobei ich vergessen habe, dass mein Wohnort Antwerpen zwar flach wie ein Pfannkuchen ist, aber dass Brüssel dafür ungefähr so hügelig ist wie San Francisco. Sodass ich am ersten Morgen japsend und keuchend, tomatenrot und schweißtriefend vor meinem Arbeitsplatz zusammensacke, was alle Kollegen wahnsinnig komisch finden.

Make-up Jetzt, einige Wochen später, habe ich den Bogen raus: Mein Rucksack ist prall gefüllt mit Deo und Evian-Sprühflaschen. Nach Ankunft lässt mich der Pförtner eben in den Putzraum, wo ich in mitgebrachte lilienweiße, frisch gestärkte Kleidung schlüpfe und mit einem Reiseföhn die Frisur herrichte. Außerdem habe ich meine gesamte Make-up-Palette dabei, so dass ich fünf Minuten später frisch und kühl wie ein Heideröschen mein Büro betrete. Happy End! Oder? Nicht wirklich: Von der Schlepperei meiner tonnenschweren Frischmach-Accessoires habe ich es auf einmal böse am Rücken.

Außerdem habe ich mich wegen meines riesigen Gepäcks schon mehr als einmal hingebrettert, habe mir eine Rippe angebrochen und ein Stück Eckzahn am Trottoir abgeschlagen. Aber was soll’s: Wir müssen alle Opfer bringen.

Inzwischen habe ich Wadenmuskeln aus Stahl, und wenn ich in einem Affenzahn vorbeibrettere, klatschen die Brüsseler Touri-Gruppen spontan Beifall. Denn was Belgien so anziehend macht, sind ja bekanntlich seine verschrobenen, aber liebenswerten Bewohner – nicht wahr?

Sehen!

»Traumnovelle«

Der Film arbeitet sich an den sieben anekdotischen Kapiteln der literarischen Vorlage von Arthur Schnitzler entlang

von Britta Schmeis  17.01.2025

Doku

Über eine weitreichende Unwahrheit

»W. – was von der Lüge bleibt« (2020) nähert sich der Lebensgeschichte von Bruno Dösekker alias Wilkomirski, der die Identität eines Schoa-Überlebenden annahm

von Silvia Bahl  17.01.2025 Aktualisiert

Kino

»Wie eine Art Heimkehr«

Schauspielerin Jennifer Grey über den Film »A Real Pain« und Dreharbeiten in Polen

von Patrick Heidmann  16.01.2025

Nachruf

Der Soziologe und das »Gedächtnistheater«

Eine persönliche Erinnerung an Y. Michal Bodemann, der sich unter anderem mit Erinnerungspolitik in Deutschland beschäftigte

von Janine Cunea  16.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. bis zum 27. Januar

 16.01.2025

Freiburg

Kurde aus Syrien eröffnet israelisches Restaurant

Der Besitzer wird schon länger bedroht. Er lässt sich jedoch nicht abschrecken

von Christian Böhmer  16.01.2025

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  15.01.2025

Frankreich

Iris Knobloch bleibt Präsidentin des Filmfestivals Cannes

Sie ist die erste Frau an der Spitze des Festivals

 15.01.2025

London

Autor Neil Gaiman weist Vorwürfe sexueller Übergriffe zurück

Im »New York Magazine« werfen mehrere Frauen dem britischen Fantasy- und Science-Fiction-Autor entsprechende Taten vor. Nun äußert sich der 64-Jährige

 15.01.2025