Finale

Der Rest der Welt

Gelobt seien der beste Ehemann von allen, der Redakteur dieser Seite, das orthodoxe Oberrabbinat in Jerusalem und der Zentralrat der Juden in Deutschland! Ihnen allen habe ich zu verdanken, dass dieser Text erscheinen kann.

kiddusch Mein Göttergatte (der Ewige lasse sein Angesicht leuchten über ihm) hat am Samstagmorgen meinen Schreibtisch aufgeräumt, während ich ausschlafen durfte. Wage noch einmal jemand zu behaupten, Gojim hätten keine göttliche Seele! Der Redakteur dieser Seite – gesegnet sei er – hat sich darauf eingelassen, meine Deadline auf den letzten Drücker zu verschieben. Das orthodoxe Oberrabbinat, gepriesen seien die weisen Männer, hat meiner alten Freundin Alisa in Israel zur Konversion verholfen. Am Wochenende hat uns Alisa in Berlin besucht und an Erew Schabbat für meinen kleinen Sohn den Kiddusch viel schöner gesungen, als ich es je fertiggebracht hätte. Als Textvorlage diente das Birkon Schabbat, das Heft mit Liedern und Segenssprüchen, das ich Anfang Juni beim Gemeindetag des Zentralrats in Hamburg diskret in meiner Handtasche habe verschwinden lassen. Sind das nicht großartige Voraussetzungen, um nun über den Schabbat in der modernen europäischen Gesellschaft zu philosophieren?

Denn die jüdische Großfamilie, die am Freitagabend gemeinsam Tscholent isst, ist hierzulande eher Folklore als Realität. Wir sind eine Kleinstfamilie (wobei ich alleinerziehende Mütter kenne, die Erew Schabbat mit ihrem einzigen Kind verbringen; insofern sind wir zu dritt ganz gut dran). Mein Mann hat vier Semester evangelische Theologie in Leipzig studiert und kennt mehr als drei hebräische Buchstaben, aber kein einziges Schabbatlied. Ich selbst zünde zwar Kerzen, bin aber erklärtermaßen religiös unmusikalisch. Die Tradition hält bei uns daheim mein kleiner Sohn aufrecht, der, in religiösen Bräuchen durch die jüdische Kita gebildet, sich den Kidduschbecher schnappt und den Segen über den Traubensaft spricht. Nicht so einfach, unter diesen Umständen die Schabbatengel heraufzubeschwören.

hawdala Aber an dem Abend, als Alisa aus dem Birkon Schabbat vortrug, war alles perfekt. Mein Sohn zeigte sich als Experte und verlangte, wir sollten zuerst »Lecha Dodi« und dann »Schalom Alejchem« singen. Alisa sah diskret über die Salami hinweg, die mein Sohn sich aufs Butterbrot legte, und erzählte mir, dass ihr Mann (er stammt aus einer traditionellen Familie) als Kind am Schabbat fernsehen durfte – verboten war nur, das Gerät lauter oder leiser zu stellen. Das nenne ich kreative Halacha!

Nun habe ich beschlossen, den Schabbat ab sofort auf meine Weise einzuhalten: Ich werde keine E-Mails mehr lesen. Vielleicht werde ich demnächst sogar den Hawdala-Segen sprechen: Gelobt seist du, Ewiger; der zwischen Israel und den Völkern unterscheidet! Zwischen jüdischen Autorinnen, die an sechs Tagen der Woche ihren Schreibtisch verwüsten, und den nichtjüdischenZaddikim, die ihn am Schabbat wieder aufräumen!

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025