Finale

Der Rest der Welt

Und, haben Sie Jontef gut überlebt? Schön gefastet, die Sukka auf- und abgebaut, Glitzer-Deko verstaut bis zum nächsten Jahr? Haben Sie die diversen Monumental-Predigten Ihres Rabbiners gut überstanden, ganz ohne einzupennen? Bravo. Ich bin beeindruckt. Denn dieser Part der Feiertage ist immer noch der quälendste und schwierigste von allen, oder? Wach bleiben, während der Rabbi stundenlang schwadroniert!

Tja, dieses Problem habe ich seit Kurzem nicht mehr. Denn wir haben jetzt diesen neuen Super-Rabbi aus New York. Mit seinem knallroten Bart und dem schwarzen, seidig glänzenden Kaftan sieht er wirklich wie das Bild eines Rabbiners aus. Er steht ständig unter Strom, so, als hätte er in den Taschen seines Kaftans ein paar Duracell-Batterien. Er betet mindestens so schnell wie der Wind, und seine Predigten sind ganz großes Kino, finde ich. Hochdramatisch, spannend und in Technicolor!

vermögen Hier zum Beispiel meine Lieblingsstory dieses Jahres, eine wahre Geschichte, die bestimmt bald verfilmt wird! Courtesy of Rabbi Carlebach aus Antwerpen: Ein steinreicher israelischer Geschäftsmann verspekuliert sich und verliert damit auf einen Schlag sein gesamtes Vermögen. Arm und verbittert streicht er nun durch die Straßen Tel Avivs und beschließt, seinen besten Freund um Geld anzuschnorren. Das Büro seines Freundes ist im Tel Aviver Azrieli-Wolkenkratzer, 47. Stockwerk.

Unser verarmter Freund nimmt also den Aufzug nach oben, erhält dort ein fettes Bündel Geldscheine und nimmt sich vor, sich in dem beeindruckenden Gebäude noch etwas umzusehen. Am Ende des Korridors sieht er eine Metalltür. Hmm, der Balkon! Er stemmt die Tür auf, um den wunderbaren Blick von der Aussichtsplattform ein wenig zu genießen. Wunderschön, die Skyline von Tel Aviv!

dämmerung Gerade senkt sich die Dämmerung eines geruhsamen Freitagabends auf die Stadt, als die Metalltür der Terrasse hinter dem Mann zuschlägt. So fest er auch am Türgriff zerrt, er bekommt sie nicht mehr auf. Sein Handy? Unten im Auto vergessen. Um Hilfe rufen? Zwecklos. Verzweifelt tigert der Mann auf und ab. Schließlich hat er eine Idee. Er lässt ein paar Geldscheine auf die Passanten tief unter ihm herabsegeln, in der Hoffnung, dass jemand hochschaut und ihn sieht.

Aber die Menschen unten raffen die Geldscheine nur zusammen und gehen einfach weiter! Der Mann wirft verzweifelt sein ganzes Geldbündel herab. Die Leute unten fangen an, sich um das Geld zu prügeln, aber niemand sieht hoch zu ihm! Schließlich wirft er in seiner Verzweiflung ein paar Kieselsteine herab. Aua! Sofort richten ein paar empörte Passanten ihren Blick nach oben, bemerken ihn – und er ist gerettet.

Und die Moral von der Geschicht’: Im Allgemeinen kümmern sich die Menschen nur um ihren eigenen Kram. Die himmlischen Sphären und die anderen Leute fallen einem erst dann ein, wenn man richtig Zores hat. Tolle Story, oder? Sie können sich meinen Lieblingsrabbi in Antwerpen gerne auch mal live in der Romy-Goldmuntz-Synagoge anhören – die nächste Monumental-Technicolor-Predigt gibt es aber leider erst zu Pessach!

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025