Finale

Der Rest der Welt

Hans Fröhlich heißt er. Er lebt im Kanton Nidwalden, tief unten im Tal. Mehr weiß ich nicht über ihn. Außer, dass er Judenhasser ist. Er rief mich nämlich vergangene Woche an. Er hätte meine Texte gelesen, und ich würde ihm gefallen.

Ich fühlte mich geschmeichelt und wollte freundlich das Gespräch beenden. Herr Fröhlich aber hatte es nicht so eilig wie ich. Er sei jetzt 82 Jahre alt und lese intensiv die Bibel, auch das Alte Testament. Er wolle mir unbedingt drei Passagen aus den Heiligen Schriften zukommen lassen. Die würden nämlich klar beweisen, dass man die Juden hassen muss!

Notstand »Und Sie, Herr Frenkel, Sie sind doch ein gescheiter Mensch. Ich möchte Ihre Meinung dazu wissen!« Zum Glück schrie gerade mein Sohn, weil er mit dem Kopf gegen den meiner Tochter gestoßen war. Die brüllte zeitversetzt auch. Ich atmete auf und erklärte Herrn Fröhlich den Notstand.

Ich tat das aber mit einem schlechten Gewissen. In mir pocht ein Schokoladenherz, das auch in Gegenwart eines Judenhassers nicht aufhört zu klopfen.

Der Herr Fröhlich hat dich extra aus einem vergessenen Dörfchen angerufen, will sich mit dir über die Bibel unterhalten, und du würgst nun das Gespräch ab, dachte ich. Das ist nicht schön. »Herr Fröhlich«, unterbrach ich deswegen kurz seine Rezitation aus der Bibel, »könnten Sie mir auch eine E-Mail schreiben?« Herr Fröhlich wusste nicht, was eine E-Mail ist. Mein Sohn kam zu mir gerannt und plärrte mich voll. Ich versuchte, Herrn Fröhlich zu erklären, was sich technisch in den vergangenen 20 Jahren vollzogen hat. »Ach, Internet? Ja, das hat mein Sohn. Aber der wohnt in Frutigen.«

umlaut Der alte Mann bat mich kurz um eine Pause. Er müsse Stift und Papier holen. Diese Zeit nutzte ich, um meinen beiden Kindern eine Strafe zu erteilen: »Kein KiKa heute!« Die rannten nun zur Mutter, aber verschwanden wenigstens für ein paar Minuten. »Herr Frenkel, sind Sie noch da?« »Ja, mein lieber Herr Fröhlich.« Ich diktierte ihm langsam meine E-Mail-Adresse. Beim @ wusste ich nicht weiter. Ich sagte: »Ät«. »Mit Umlaut?« »Nein, nur ›ät‹!« »Hä?« »Affenschwanz!« »Ach so, Herr Frenkel. Ja, den kenne ich.«

Meine Frau, im Schlepptau die Kinder, kam jetzt herein. Ich sah sie ängstlich an. »Herr Fröhlich, ich muss jetzt gleich auflegen. Haben Sie alles aufgeschrieben?« »Ja.«

Ich legte sofort auf. Jetzt kriege ich Ärger. Und plötzlich fiel mir ein: Ich habe Herrn Fröhlich eine falsche E-Mail-Adresse gegeben! Ich Nebbich! Herr Fröhlich, lesen Sie das hier?

Meine E-Mail-Adresse lautet frenkel.beni@gmail.com und nicht frenkel-beni@gmail.com.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025