Finale

Der Rest der Welt

Während Sie diese Zeilen lesen, sitze ich in Galiläa – unter Veganern. Denn in diesem Israel-Urlaub, ich kann es kaum glauben, haben wir uns für zwei Wochen in einem idyllischen, kinderfreundlichen, aber veganem Moschaw eingemietet. Falls die Ferien, trotz Nähe zu grandiosen Tälern wie Wadi Amud, dem See Genezareth und den Golan-Höhen, eine Pleite werden sollten, weiß ich auch schon, wem ich die Schuld in die Schuhe schiebe: Sibylle Berg. Die von mir hochgeschätzte Autorin (möge sie leben bis 120) hat in einer ihrer Kurzgeschichten so sehr von Amirim geschwärmt, dass ich gar nicht anders konnte, als in diesem Moschaw eine Ferienwohnung mit Aussicht zu buchen.

Allmählich aber schwant mir, was ich mir, meinem Mann und meinem Sohn damit eingebrockt habe. Grillen im Garten – so steht es im Webauftritt unserer Gastgeber, den ich mir leider erst in letzter Sekunde vor dem Abflug zu Gemüte geführt habe – ist ausdrücklich erwünscht. Allerdings ohne Fleisch! Mal sehen, was wir stattdessen auf unsere Spieße stecken. Kartoffeln? Paprika? Oder vielleicht Marshmallows? Aber in Marshmallows ist Eiweiß enthalten – für Veganer pures Gift.

Kaschrut Es scheint auf totalen Verzicht hinauszulaufen, zumindest in der Öffentlichkeit: weder milchiges noch fleischiges Eiweiß. Im Vergleich zum Veganismus ist Kaschrut ein Kinderspiel! In unserer Ferienwohnung mit dem tollen Ausblick, das habe ich aber schon im Vorfeld beschlossen, versagen wir uns nichts (außer Fleisch und Wurst, die Gastgeber sollen uns ja nicht sofort wieder rauswerfen).

Wer versucht, meinem Sohn seine Milchflasche zu verwehren, bekommt es mit einer jüdischen Löwenmutter zu tun – Veganer hin oder her. Auf Milch zum Frühstückskaffee verzichte ich auch nicht. Oder soll ich etwa Kaffeeweißer nehmen? Dann hätten wir ja gleich in ein koscheres Hotel gehen können. Wir hätten wenigstens Honig zum Frühstück bekommen. Und Butter. Und Hüttenkäse.

Natürlich habe ich grundsätzlich nichts gegen Veganer. Im Gegenteil: Einige meiner besten Freunde gehören zu dieser exklusiven Religions-, äh, Essengemeinschaft. Daher weiß ich, dass Veganer im Prinzip gute Menschen sind, die Tiere lieben und nur die Früchte der Erde verzehren. Und natürlich Tofu. In Berlin war ich mal in einem veganen Restaurant.

Tulpe Da gab es milchfreies Bitterschokoladedessert (wie das wohl hergestellt wurde?), und es war sogar genießbar. An den Rest des Essens kann ich mich nicht erinnern. Irgendwelches Grünzeug. In den dicken Brotteig, der auf dem Grünzeug lag, hatten die Kellner zum Schmuck eine Tulpe gesteckt. Zum Glück war ich eingeladen – es hätte mir um jeden Cent leidgetan. Was in aller Welt suche ich also in einem veganen Moschaw?

Wahrscheinlich das Gegenprogramm zu meinem Alltag. Seitdem ich am Schreibtisch arbeite, habe ich vier Kilo zugenommen. Meine Kollegen schleppen ständig Kuchen an. Am Mittagstisch der umliegenden Restaurants komme ich auch nicht vorbei. Im Urlaub aber werde ich die Früchte der Erde essen, vier Kilo abnehmen. Und dann habe ich allen Grund, mich wieder auf die Arbeit zu freuen.

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  11.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025