Kulinarik

Der Geschmack Jerusalems

So lecker kann koschere Küche sein. Foto: Flash 90

Den einen ist es Anregung genug, in einem Kochbuch zu blättern, die Bilder auf sich wirken zu lassen und ein Rezept schnell querzulesen. Andere wollen etwas über die Rezepte wissen, ihre Herkunft, ihre Bedeutung und wie sie zu variieren sind. Und wiederum andere erwarten teelöffel- und messerspitzengenaue Kochanleitungen.

»2 Möhren (250g), in 2 cm dicke Scheiben geschnitten«, geben Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi unter anderem vor, wenn sie erklären, wie man eine Hühnerbrühe zubereitet. Die beiden, ein jüdischer und ein palästinensischer Israeli aus Jerusalem, die gemeinsam in London ein Restaurant betreiben, haben ein Buch auf den Markt gebracht, das alles in einem leisten möchte: sowohl den Hobbykoch an die Hand nehmen und ihm bis zur Grammzahl der Petersilie und der Größe der Zwiebeln jedes Detail erläutern, als auch Geschichten zu den Gerichten erzählen und zudem noch Appetit machen.

Szene Letzteres gelingt Ottolenghi und Tamimi grandios: Die Fotos zeigen wunderbare Gerichte und Szenen aus Jerusalem, das Buch kommt leinengebunden richtig schön daher, und – ein viel zu selten angesprochenes Kriterium bei Rezensionen – es riecht auch angenehm. Aber: Was soll so ein schöner Band auf der Arbeitsplatte?

Ulrich Sahm, freier Journalist in Israel, unter anderem für diese Zeitung, empfängt und bekocht gerne Touristengruppen in seinem Haus in Jerusalem. Die informiert er dann bei Hummus, Salat und Orangenhuhn via Gaumen und Gehör über das Heilige Land. Daraus hat Sahm nun ein Kochbuch, besser vielleicht -büchlein, gemacht. Sieht man vom leicht eitlen Wortspiel im Titel Wundersa(h)mes aus Jerusalem ab, ist der kleine Band ein großer Wurf geworden. Die Ringbindung sorgt dafür, dass er am Rand jeder Küchenarbeitsplatte gut platziert werden kann, und die Fotos der Gerichte, von den Sabbateiern über Auberginen mit Labane bis zum palästinensischen Makloubat, inspirieren visuell. Allerdings wäre manches Rezept verzichtbar, etwa ein nur aus Salz, Essig, Öl und Sumak bestehendes Dressing, das für einen – Vorsicht Wortspiel – »Balsa(h)mischen Tomatensalat« vorgeschlagen wird.

Stark ist Sahms Buch dafür, wenn der Archäologiefan unter dem etwas verschämten Titel »Wo König Salomon zu Fuß hinging« erläutert, was nach dem Essen kommt: die Verdauung – und was man von ihr lernen kann. Wissenschaftler haben die Jerusalemer Erde unter einem 3000 Jahre alten Plumpsklo analysiert und fanden heraus, dass nicht nur Ziegen- und Lammfleisch, sondern auch 32 verschiedene Jerusalemer Wildkräuter ihren Weg nach draußen gefunden hatten. Das mag nicht jeder appetitlich finden, aber es bietet einen Einblick in die jüdische Gastronomiegeschichte.

praktisch Ottolenghis und Tamimis Ansatz ist klassischer: Sie wollen zeigen, wie multiethnisch Jerusalem ist und wie das Essen die jüdischen und palästinensischen Israelis, die römisch-katholischen, die orthodoxen und die protestantischen Christen vereint. Das tun sie mit Geschichten aus eigenem Erleben, die freilich darunter leiden, dass beide Autoren seit 20 Jahren in London wohnen. Zudem wird die Geschichte Jerusalems allzu flach referiert.

Jedes der beiden Bücher hat seine großen Vor- und wirklich nur kleinen Nachteile. Sahm setzt aufs Praktische und erzählt dazu tolle Geschichten, zulasten der Rezepte. Ottolenghi und Tamimi präsentieren große Kochkunst auf tollen Fotos, leiten aber allzu detailverliebt an. »The proof of the pudding is in the eating«, lautet ein englisches Sprichwort. Frei übersetzt: Wie gut ein Kochbuch ist, beweist sich auf dem Teller.

Yotam Ottolenghi/Sami Tamimi: »Jerusalem. Das Kochbuch«. Dorling Kindersley, München 2013, 320 S., 24,95 €

Ulrich Sahm: »Wundersa(h)mes aus Jerusalem. Rezepte und Wissenswertes der israelischen Küche, gewürzt mit ein paar Erinnerungen.«, Edition Fisch, Rossau 2012, 85 S., 15 €

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert