Redezeit

»Der ganz normale Wahnsinn«

Samuel Finzi über »Kokowääh 2«, die Midlife-Crisis bei Männern und Familienglück

von Philipp Peyman Engel  28.01.2013 11:11 Uhr

»Von Serien wie ›Sopranos‹ kann man in Deutschland nur träumen«: Samuel Finzi Foto: Roman Goebel

Samuel Finzi über »Kokowääh 2«, die Midlife-Crisis bei Männern und Familienglück

von Philipp Peyman Engel  28.01.2013 11:11 Uhr

Herr Finzi, nächste Woche läuft in den Kinos »Kokowääh 2« an. Ist die Fortsetzung genauso seicht wie der erste Teil?
»Kokowääh« ist natürlich kein Arthouse, sondern ein klassischer Feel-Good-Film. Til Schweiger, der den Streifen gedreht und produziert hat, will die Zuschauer glücklich machen. Wenn nach einem Film der ein oder andere Besucher glücklich aus dem Kino heraus kommt, ist schon viel gewonnen – ganz gleich, ob er sich eine Komödie oder einen Visconti angesehen hat.

Worum geht es in dem Film?
Um den ganz normalen Wahnsinn von egozentrischen Männern in der Midlife-Crisis. Die von Til Schweiger und mir gespielten Charaktere Henry und Tristan werden in vollkommen neue, unerwartete Lebensumstände geworfen, mit denen sie irgendwie umgehen müssen. Alles in allem wird man noch mehr lachen können als beim ersten Teil.

»Kokowääh« war mit 4,5 Millionen Zuschauern ein Kassenschlager. Weshalb ist der Film so erfolgreich?
Die Story trifft einen Nerv der Gesellschaft. Patchwork-Familien sind mittlerweile Normalität in Deutschland, jeder kann etwas mit diesem Thema anfangen. Und jeder von uns weiß, dass man in einer Familie Verantwortung übernehmen und seinen Egozentrismus ein Stück weit hinten anstellen muss, um die Vorteile dieser Gemeinschaft genießen zu können.

Es geht auch um neue Männerbilder. Wie haben diese sich Ihrer Ansicht nach gewandelt?
Das sieht man exemplarisch an Henry und Tristan. Beide durchlaufen eine große Metamorphose. Der eine geht auf in seiner Karriere, der andere erlebt seine Midlife-Crisis mit einer jungen Frau, obwohl das eigentlich gar nicht seiner Persönlichkeit entspricht. Das ist natürlich auch ein Abbild des zeitgenössischen Mannes – was nicht gerade für uns Männer spricht.

Sie spielen regelmäßig an den großen Schauspielhäusern in Deutschland Rollen wie Tschechows »Iwanow«. Einem größeren Publikum wurden Sie aber erst durch »Kokowääh« bekannt. Ist das frustrierend?
Ja, nein … Stimmt ja so nicht ganz. Das breitere Publikum kennt mich durch »Kokowääh« und »Flemming«, aber auch durch meine Bühnenarbeit. Ich spiele derzeit in acht Stücken an vier Häusern in Deutschland. Und es frustriert mich nicht. 4,5 Millionen Zuschauer bei »Kokowääh« und kleine Filme mit wenigen Zuschauern – beides muss sich die Waage halten. Auf der Bühne kann ich die tiefen Stoffe für die Zuschauer ausloten. Im Film spiele ich leichtere Rollen und habe ein Millionenpublikum.

Was ist schwieriger zu spielen: Theater oder Film?
Ganz klar Film. Dort muss alles 1000-mal gedreht und wiederholt werden. Am Ende sieht zwar das Ergebnis gut aus, die Arbeit selbst jedoch ist knallhart. Im Vergleich dazu ist es Entspannung pur, abends im Theater auf der Bühne zu stehen.

Die Serie »Flemming«, in der Sie die Hauptrolle spielen, gehört zu den wenigen gelungenen Serien im deutschen TV. Warum ist das deutsche Fernsehen so schlecht?
Weil der Mut fehlt, Mut zu Stoffen wie »Flemming«. Das deutsche Fernsehen erzieht seine Zuschauer zum schlechten Geschmack. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten glauben, dass man dem deutschen Publikum anspruchsvolle Serien nicht zumuten kann. Sie unterschätzen ihr Publikum massiv.

Haben Sie die Hoffnung aufgegeben, dass Serien wie »Sopranos« oder »Mad Men« auch hier möglich sind?
Von solchen Serien kann man in Deutschland nur träumen – und als Schauspieler höre ich nicht auf, davon zu träumen. Man muss einfach mal anfangen, an gute Stoffe zu glauben und den Zuschauern mehr zutrauen.

Mit dem Schauspieler sprach Philipp Peyman Engel.

Samuel Finzi wurde 1966 im bulgarischen Plovdiv als Sohn jüdisch-bulgarischer Eltern geboren. Sein Vater ist der in Bulgarien bekannte Schauspieler Itzhak Finzi, seine Mutter die Pianistin Gina Tabakova. Um der »Enge und Spießigkeit« der bulgarischen Gesellschaft zu entfliehen, zog es Finzi 1989 zunächst nach Paris und dann nach Berlin, wo er innerhalb von nur zwei Monaten die deutsche Sprache erlernte. Schnell machte er in der Bundesrepublik als Schauspieler auf sich aufmerksam und übernahm in zahlreichen TV- und Kinoproduktionen die Hauptrolle. Finzi gehört zu den profiliertesten deutschen Schauspielern.

Frankfurt am Main

Bildungsstätte Anne Frank zeigt Chancen und Risiken von KI

Mit einem neuen Sammelband will sich die Institution gegen Diskriminierung im digitalen Raum stellen

von Greta Hüllmann  19.04.2024

Kunst

Akademie-Präsidentin gegen Antisemitismus-Klausel

»Wir haben ein gutes Grundgesetz, wir müssen uns nur daran halten«, sagt Jeanine Meerapfel

 19.04.2024

Jehuda Amichai

Poetische Stimme Israels

Vor 100 Jahren wurde der Dichter in Würzburg geboren

von Daniel Staffen-Quandt  19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Streaming

»Bros«: Zwei Trottel, eine Bar

Die erste rein hebräischsprachige und israelische Original-Produktion für Netflix ist angelaufen

von Ayala Goldmann  18.04.2024

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  18.04.2024

Verschwörungstheorien

Nach viel kritisiertem Israel-Hass-Video: Jetzt spricht Dieter Hallervorden

Der Schauspieler weist die Kritik an seiner Veröffentlichung zurück

 18.04.2024

Venedig

Israelhasser demonstrieren bei Kunstbiennale

Die Demonstranten forderten einen Boykott israelischer Künstler

 18.04.2024

Klassik

Eine Liebeserklärung an die Mandoline

Der israelische Musiker Avi Avital verleiht Komponisten wie Bach oder Vivaldi einen unverwechselbaren neuen Touch

von Christine Schmitt  18.04.2024