Wuligers Woche

Den Vorhang zu

Unerreicht: Marcel Reich-Ranicki Foto: imago

Ein Kritiker wird gesucht. Maxim Biller ist nach nur neun Folgen beim Literarischen Quartett ausgestiegen, aus welchen Gründen auch immer. Offiziell heißt es, er wolle sich wieder verstärkt dem Schreiben widmen; in der Branche munkelt man, zwischen Biller und Gastgeber Volker Weidermann habe es gewaltig gekracht. Jetzt muss bis zur nächsten Ausstrahlung am 3. März ein Nachfolger her.

Muss es wirklich? Billers Ausscheiden nach nur 14 Monaten könnte auch eine Chance sein. Eine Chance, die Sendung einzustellen. Nicht, weil Maxim Biller unersetzbar wäre – jedenfalls nicht so unersetzbar, wie er selbst möglicherweise glaubt. Und auch nicht, weil das neue Literarische Quartett schlecht gemacht wäre. Die vorgestellten Bücher waren interessant, die Debatten darüber erhellend, Volker Weidermann als Moderator klug und sachkundig.

Histrionisch Nur: Das waren nie die Gründe, warum die Sendung einst Kult war. Das alte Literarische Quartett sahen die Zuschauer wegen Marcel Reich-Ranicki. Es war seine Show: Er polemisierte, brüllte, fällte apodiktisch Urteile, fiel den Gästen ins Wort, ja beleidigte sie gelegentlich persönlich. Es war wunderbares Krawall-Fernsehen, RTL II für Publikum mit Abitur. Die Bücher, um die es vorgeblich ging, waren Nebensache.

Im Zentrum stand stets MRR mit seinen histrionischen Darbietungen. Für alle, die das Wort nicht kennen: Histrionisches Verhalten ist definiert als theatralisches Auftreten, gekennzeichnet durch andauerndes Verlangen nach Anerkennung und dem Wunsch, stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Gute Schauspieler sind Histrioniker.

Reich-Ranicki war auch einer. Angeblich war Maxim Biller von den Machern des neuen Literarischen Quartetts für einen ebensolchen Part ausersehen. Falls ja, hat er ihn nicht wirklich ausfüllen können – oder wollen. Wie auch, wo er doch nur Mitdiskutant war. Histrionik voll ausleben kann man nur in der Hauptrolle.

Fortsetzungen Das neue Literarische Quartett ist einer Gesetzmäßigkeit zum Opfer gefallen, die man aus dem Kino kennt. Fortsetzungsfilme reichen in der Regel nie an das Original heran. (Ausnahmen wie Der Pate – Teil II bestätigen die Regel.) Ja, die Sendung ist gut gemacht. Aber weil sie dummerweise Name und Format eines großen Vorgängers und Vorbilds hat, wird sie automatisch auch daran gemessen. Und bei dem Vergleich fällt das Verdikt eindeutig aus: »Langweilig!«, um eines von Reich-Ranickis liebsten Verdammungsurteilen zu benutzen.

Die ZDF-Redakteure, die, statt sich die Mühe zu machen, ein neues, spannendes Literaturprogramm zu entwickeln, lieber auf die Neuauflage eines bewährten Formats setzten – statt Neuauflage könnte man auch sagen Abklatsch –, haben ihrem Sender, den Zuschauern und nicht zuletzt den Akteuren der Sendung keinen Gefallen getan. Das Literarische Quartett II sollte Reich-Ranickis stets zu Ende seiner Sendung zitiertem Brecht-Satz folgen: »Den Vorhang zu«.

Berlin

»Es gibt Momente, die sind größer als der Preis«

Die Verleihung des Deutschen Filmpreises war geprägt von politischen Statements – und von der Nachricht vom Tod Margot Friedländers. Und ganz nebenbei war »September 5« der große Gewinner des Abends

von Sabrina Szameitat  11.05.2025

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 11.05.2025

Ruth Achlama

»Alles ist schön und gut? Das wäre gelogen«

Die Übersetzerin über Beziehungsratschläge für Deutsche und Israelis, israelische Autoren auf dem deutschen Buchmarkt und Erzählungen von Chaim Nachman Bialik

von Ayala Goldmann  11.05.2025

Meinung

Codewort: Heuchelei

Nemo fordert den Ausschluss Israels beim ESC in Basel. Damit schadet der Sieger des vergangenen Jahres der Schweiz und der eigenen Community

von Nicole Dreyfus  11.05.2025

Reaktionen

»Ihr Vermächtnis ist Mahnung und Verpflichtung«

Der Tod der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer ist in Politik und Gesellschaft mit großer Trauer aufgenommen worden

 11.05.2025

Aufgegabelt

Dattelrollen

Rezepte und Leckeres

 11.05.2025

Eurovision Song Contest

Vorjahressieger Nemo gegen Teilnahme Israels am ESC

Für Israel tritt die Sängerin Yuval Raphael an, die die Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023 überlebte

 10.05.2025

Berlin

Margot Friedländer: Levit kämpft bei Deutschem Filmpreis mit Tränen

Beim Deutschen Filmpreis nutzt Igor Levit die Bühne, um der verstorbenen Holocaust-Zeugin Margot Friedländer zu gedenken. Dabei muss der Starpianist mehrmals um Fassung ringen. Im Saal wird es still

 09.05.2025

Porträt

Ein Jahrhundertleben

Tausende Schüler in Deutschland haben ihre Geschichte gehört, noch mit über 100 Jahren trat sie als Mahnerin auf. Margot Friedländer war als Holocaust-Zeitzeugin unermüdlich

von Verena Schmitt-Roschmann  09.05.2025