Medizin

Den Keimen an den Kragen

Foto: imago images/Imaginechina-Tuchong

Für Ärzte und Patienten ist es gleichermaßen ein Albtraum. Wenn gängige Antibiotika nicht mehr anschlagen, weil Bakterien Resistenzen aufgebaut haben, steht die Medizin oft hilflos da. Selbst harmlose Erkrankungen wie ein Harnwegsinfekt, aber auch eine sonst relativ einfach zu behandelnde Lungenentzündung können dann zum echten Problemfall werden.

Denn die alte Wunderwaffe im Kampf gegen viele Krankheiten scheint immer häufiger stumpf zu werden, weshalb weltweit jedes Jahr mehr als 700.000 Menschen sterben. Auch Unverträglichkeiten gegen gängige Mittel wie Penicillin häufen sich. All das sind gute Gründe, um über neue Wege bei der Bekämpfung von lebensbedrohlichen Bakterien nachzudenken.

etappenerfolg Einen wichtigen Etappenerfolg auf dem Weg dahin konnten jetzt israelische Forscher vermelden. Sie entwickelten ein sogenanntes biologisches Antibiotikum. Was zunächst ein wenig nach Heilkräutern oder Alternativmedizin klingt, ist handfeste Wissenschaft.

»Die jüngsten Fortschritte in der biologischen Medizin haben uns in die Lage versetzt, den Bakterien auf eine andere Art und Weise an den Kragen zu gehen, die eben nicht auf den gängigen chemischen Wirkstoffen basiert«, bringt Natalia Freund die Idee auf den Punkt.

»Unsere Studie ist ein erster Beweis dafür, wie man mithilfe von monoklonalen Antikörpern, also immunologisch aktiven Proteinen, die von einer Zelllinie produziert werden, eine wirksame Therapie zur Bekämpfung bakterieller Krankheitserreger einleiten kann«, so die Spezialistin, die in der Abteilung für klinische Mikrobiologie und Immunologie an der Sackler-Fakultät für Medizin der Universität Tel Aviv zu diesem Thema forscht.

Proteine werden zur Bekämpfung von Krankheitserregern eingesetzt.

Im Regelfall waren Antibiotika bis dato chemische Wirkstoffe, deren Aufgabe es ist, bestimmte Zellen zu blockieren oder zu zerstören. Da jedoch eine ganze Palette biologischer Mechanismen sowohl den menschlichen als auch den mikrobiellen Zellen gemeinsam ist, reduziert sich die Auswahl an Antibiotika, die sicher eingesetzt werden können, ohne den Patienten Schaden zuzufügen. Die biologische Variante dagegen hat den Vorteil, sicherer zu sein und sich spezifischer einsetzen zu lassen. Das jedenfalls lassen die Forschungsergebnisse aus Israel erahnen.

TUBERKULOSE Als eine Art Testgebiet wählte Freund zusammen mit ihrem Team die Tuberkulose aus, die durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis verursacht wird. Dabei griff man auf Antikörper zurück, die von einem Patienten gewonnen wurden, der die Krankheit überstanden hatte. Allein das war eine Herausforderung, weil die Isolierung von monoklonalen Antikörpern aufgrund der Größe und Komplexität des Tuberkulose-Bazillus eine ziemlich knifflige Angelegenheit ist.

Den Forschern aus Tel Aviv gelang es aber, ein Protein an der Zellwand des Bazillus ausfindig zu machen, das das Bakterium mit Energie versorgt, und es dann quasi außer Betrieb zu setzen. Dadurch konnte das Bakterienwachstum um rund 50 Prozent gehemmt werden, wie Versuche an Mäusen zeigten. Außerdem erwiesen sich diese Antikörper gleich gegen drei verschiedene Stämme des Tuberkulose-Bazillus als effektiv.

Für Tuberkulose hatte man sich entschieden, weil der Impfstoff gegen diese Krankheit bereits vor rund 100 Jahren entwickelt wurde, aber heute so gut wie keinerlei Schutz mehr gewährleistet. Und gängige Antibiotika versagen in manchen Ländern in bis zu 40 Prozent aller Fälle, weil sich die hochansteckenden Tuberkulose-Bakterien von ihnen nicht mehr sonderlich beeindrucken lassen. Rund ein Viertel der Weltbevölkerung ist bereits mit diesen Bakterienstämmen infiziert. Allein in Israel gibt es jedes Jahr mehr als 200 neue Fälle.

resistenzen »Tuberkulose ist eine Krankheit der Dritten Welt«, so Freund. »Aber die resistenten Varianten sind ein Phänomen in den entwickelten Ländern, weil dort in den vergangenen Jahrzehnten Antibiotika reichlich zum Einsatz kamen. Allein in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion ist deshalb heute etwa die Hälfte der Tuberkulosestämme gegen mindestens eine Art davon resistent. Diese Kombination kann sehr gefährlich werden.«

Zugleich erhofft sich die Medizinerin durch die Entwicklung solcher biologischer Antibiotika auch an anderen Fronten Fortschritte. »Der Lösungsansatz, der sich in unserer Studie als erfolgreich erwiesen hat, sollte sich auf andere Krankheiten wie Lungenentzündungen und Staphylokokkeninfektionen übertragen lassen. Das werden weitere Tests dann wohl zeigen.«

Be'eri

Nach dem 7. Oktober

Daniel Neumann hat den Kibbuz Be’eri besucht und fragt sich, wie es nach all dem Hass und Horror weitergehen kann. Er weiß, wenn überhaupt, dann nur in Israel

von Daniel Neumann  31.12.2025

Sehen!

Fast alles über Johann Strauss

Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien

von Tobias Kühn  31.12.2025

Shkoyach! Die Kulturkolumne

Der »Seinfeld«-Effekt oder: Curb your Antisemitism!

2026 kann ja heiter werden

von Sophie Albers Ben Chamo  31.12.2025

Sprachgeschichte

Rutsch, Rosch und Rausch

Hat der deutsche Neujahrsglückwunsch wirklich hebräische Wurzeln?

von Christoph Gutknecht  31.12.2025 Aktualisiert

Erhebung

Dieser hebräische Babyname ist in Deutschland am beliebtesten

Welche Namen geben Eltern ihren Sprösslingen in diesem Jahr am liebsten? In welchen Bundesländern gibt es Abweichungen?

 31.12.2025

Programm

Götter, Märchen und Le Chaim: Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 31. Dezember bis zum 13. Januar

 31.12.2025

Forum

Leserbriefe

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 28.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025