Berlin

Dem Gespenst des Judenhasses auf den Fersen

Wenn der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung verabschiedet wird, mutet das wie ein Staatsakt an. Dementsprechend feierlich ist die Stimmung im prächtigen Lichthof der Technischen Universität Berlin. Mehrere Hundert Gäste und Festredner sind am Donnerstagnachmittag hier versammelt, die Holzbläser des Collegium Musicum sorgen für die musikalische Umrahmung, anschließend gibt es Getränke und Häppchen. Wolfgang Benz ist nun mal kein x-beliebiger Professor einer Hochschule, sondern leitet seit 20 Jahren das 1982 gegründete Zentrum für Antisemitismusforschung, forscht, lehrt, publiziert und meldet sich auch gern zu Wort, wenn es um aktuelle Themen im Zusammenhang mit Diskriminierung geht.

So würdigte bei seiner Verabschiedung nicht nur der Präsident der Technischen Universität, Jörg Steinbach, sein Wirken. Lobende Worte über die Arbeit und das Engagement des streitbaren Wissenschaftlers kamen auch von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und vom Botschafter Israels beim Vatikan, Mordechay Lewy.

Thierse hob hervor, Historiker hätten nicht nur die Pflicht zur Aufklärung. Sie müssten eben auch dazu beitragen, eine Wiederholung der dunklen Kapitel der Geschichte zu verhindern. Gerade in diesen Tagen gäbe es »Anlass genug, das Entstehen und Instrumentalisieren von Vorurteilen zu analysieren«. Romani Rose unterstrich vor allem das Bestreben Benz’, den Antisemiten nicht die Deutungshoheit über diskriminierte Minderheiten zu überlassen. Er bedankte sich besonders beim 69-Jährigen für seine konkreten Arbeiten zur Verfolgung der Sinti und Roma sowie sein Bemühen »unseren Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen«. Mordechay Lewy betonte, wie wichtig es sei, immer und überall gegen Revisionismus vorzugehen und würdigte Benz’ Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit jenseits aufoktroyierter antifaschistischer Gesinnung. Als besondere Überraschung überreichte TU-Präsident Steinbach seinem Kollegen Benz die goldene Ehrennadel der Universität, da er »durch seine Expertise und sein Engagement das Zentrum zu einem der renommiertesten Institute von internationalem Rang entwickelt« habe.

Und Charlotte Knobloch? Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland sagte: »Ein Gespenst geht um, das Gespenst des Antisemitismus. Und jeder im Saal spürte, dass sie den Satz nicht einfach nur dahersagt, sondern aus ganzem Herzen so empfindet. Ressentiments seien gegen Argumente resistent, betonte sie, und »zielen auf die Existenz eines Menschen«. Juden seien zu früheren Zeiten dem hilflos ausgeliefert. An Benz gewandt sagte Knobloch: »Sie sind jenem Gespenst seit Jahrzehnten auf den Fersen.«

In seiner kurzen Abschiedsvorlesung über »Antisemitismusforschung als akademisches Fach und öffentliche Aufgabe« betonte Benz, wie wichtig es für sein Institut immer gewesen sei und sein werde, das Thema Antisemitismus nicht nur als historisches Fach zu betrachten und zu bearbeiten, sondern es zu erweitern in Richtung allgemeiner Probleme wie Vorurteile, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung jeglicher Art. Ein solches Institut habe, so Benz, eine »Dienstleistung an die Gesellschaft« zu erbringen – im Sinne von Aufklärung und Toleranz.

Ein paar Monate wird Wolfgang Benz noch das Zentrum für Antisemitismusforschung leiten. Dann übergibt er den Stab vermutlich an die Historikerin Stefanie Schüler-Springorum. Sie soll im Frühjahr 2011 Benz’ Nachfolge antreten.

Frankfurt am Main

Bildungsstätte Anne Frank zeigt Chancen und Risiken von KI

Mit einem neuen Sammelband will sich die Institution gegen Diskriminierung im digitalen Raum stellen

von Greta Hüllmann  19.04.2024

Kunst

Akademie-Präsidentin gegen Antisemitismus-Klausel

»Wir haben ein gutes Grundgesetz, wir müssen uns nur daran halten«, sagt Jeanine Meerapfel

 19.04.2024

Jehuda Amichai

Poetische Stimme Israels

Vor 100 Jahren wurde der Dichter in Würzburg geboren

von Daniel Staffen-Quandt  19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Streaming

»Bros«: Zwei Trottel, eine Bar

Die erste rein hebräischsprachige und israelische Original-Produktion für Netflix ist angelaufen

von Ayala Goldmann  18.04.2024

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  18.04.2024

Verschwörungstheorien

Nach viel kritisiertem Israel-Hass-Video: Jetzt spricht Dieter Hallervorden

Der Schauspieler weist die Kritik an seiner Veröffentlichung zurück

 18.04.2024

Venedig

Israelhasser demonstrieren bei Kunstbiennale

Die Demonstranten forderten einen Boykott israelischer Künstler

 18.04.2024

Klassik

Eine Liebeserklärung an die Mandoline

Der israelische Musiker Avi Avital verleiht Komponisten wie Bach oder Vivaldi einen unverwechselbaren neuen Touch

von Christine Schmitt  18.04.2024