Debatte

»Dafür habe ich kein Verständnis«

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Foto: Thomas Lohnes/Zentraltrat der Juden

Herr Schuster, in der Debatte um das Jüdische Museum meinen Beobachter, ein Tweet habe den Zorn der israelischen Regierung erweckt, der Zentralrat habe daraufhin Druck auf die deutsche Politik ausgeübt und Museumsdirektor Peter Schäfer zum Rücktritt gezwungen. Sehen Sie das genauso?
Ob der Tweet den Unmut der israelischen Regierung geweckt hat, müssen Sie die israelische Regierung fragen. Ich habe mich dazu aus eigenem Antrieb geäußert. Wer behauptet, der Zentralrat sei der verlängerte Arm der israelischen Regierung, der irrt. Es gab bereits vor dem Tweet Entwicklungen im Jüdischen Museum, die mich besorgt haben und über die ich mit Peter Schäfer gesprochen habe. Der Tweet reiht sich ein in eine Vielzahl kritikwürdiger Ereignisse, wie den Besuch des iranischen Kulturattachés oder die umstrittene Jerusalem-Ausstellung. Zu keinem Zeitpunkt habe ich den Rücktritt von Peter Schäfer gefordert.

Wissenschaftler aus aller Welt stärken Peter Schäfer jetzt den Rücken, würdigen ihn als anerkannten Kenner des antiken Judentums. Sind Sie anderer Meinung?
Ich möchte betonen, dass ich keine Zweifel an der Qualifikation des Judaisten Peter Schäfer hege. Peter Schäfer und ich haben in den vergangenen Jahren vertrauensvolle Gespräche geführt. Nur wenige Tage vor seinem Rücktritt haben wir miteinander telefoniert. Was ich als problematisch erachte, ist die politische Haltung, die durch das Jüdische Museum vertreten wurde. Selbstverständlich darf und soll ein Museum Ort des Austauschs und der Debatte sein. Warum aber muss sich das Jüdische Museum einseitig politisch positionieren, wie zum BDS-Beschluss des Bundestages? Dafür habe ich kein Verständnis.

Es ist sogar die Rede davon, Schäfer werde Antisemitismus vorgeworfen. Auch heißt es: Was Antisemitismus und was jüdisch ist, definiere die israelische Regierung, unterstützt vom Zentralrat. Was denken Sie darüber?
Ich habe Peter Schäfer zu keinem Zeitpunkt Antisemitismus vorgeworfen. Sobald der Zentralrat Kritik an einem Vorgang übt, wird das schnell in die Kategorie »Antisemitismus« eingeordnet. Das ist sehr bedauerlich, aber der Vorwurf der sogenannten »Antisemitismuskeule« ist nicht neu. Dass die jüdische Gemeinschaft hierzulande aus nachvollziehbaren Gründen eine enge Verbindung zum Staat Israel hat, ist bekannt. Das heißt aber nicht, dass wir alle Entscheidungen der israelischen Regierung gutheißen. Auch Jüdinnen und Juden in Deutschland haben dazu unterschiedliche Positionen.

Sie meinen, das Museum sollte wieder jüdischer werden. Was verstehen Sie darunter?
Nach meinem Eindruck sind in den vergangenen Jahren jüdische Perspektiven, die auch sehr verschieden sein können, vernachlässigt worden. Ich würde mir wünschen, dass dem jüdischen Blickwinkel in Zukunft mehr Platz eingeräumt wird.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden sprach Detlef David Kauschke.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema in unserer nächsten Printausgabe.

Glosse

Der Rest der Welt

Tassen, Leggings, Mähnen: Auf der Suche nach dem Einhorn

von Nicole Dreyfus  14.05.2025

Zahl der Woche

30 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 14.05.2025

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 14.05.2025

Mythos

Forscher widerlegen Spekulation über Olympia-Attentat 1972

Neue Recherchen widersprechen einer landläufigen Annahme zum Münchner Olympia-Attentat: Demnach verfolgten die Terroristen die Geschehnisse nicht am Fernseher. Woher die falsche Erzählung stammen könnte

von Hannah Krewer  14.05.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 15. Mai bis zum 22. Mai

 14.05.2025

TV-Tipp

Arte zeigt Porträt des kanadischen Sängers Leonard Cohen

Es ist wohl das bekannteste Lied des kanadischen Sängers Leonard Cohen. Und so steht »Hallelujah« auch im Zentrum eines ebenso unterhaltsamen wie inspirierenden Porträts über diesen modernen Minnesänger

 14.05.2025

Eurovision Song Contest

Boykottaufrufe gegen Israel »erschreckend und abstoßend«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer weist Forderungen nach einem Ausschluss der israelischen Sängerin Yuval Raphael zurück

 14.05.2025

Schweiz

Das Leben feiern

In diesem Jahr findet der ESC in Basel statt. Israel ist seit 1973 vertreten – ein persönlicher Rückblick

von Jan Feddersen  14.05.2025

JFBB

Die bessere Berlinale

Das 31. Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg sorgte für eine scharfe Kontroverse, aber vor allem für Dialog und gutes Kino

von Ayala Goldmann  13.05.2025